Valladolid. Von Holbox ging es für uns weiter nach Valladolid – ein hübsches buntes Städtchen was trotz seiner 50.000 Einwohnern eher wie ein größeres Dorf wirkt.
Valladolid ist eine der besten Ausgangslagen für Maya Ruinen, das wollten wir natürlich ausnutzen. Mit dem Collectivo – einer Art Sammeltaxi – geht es ca. 40 Minuten nach Ek Balam. Während Manuel den Logenplatz beim Fahrer vorn bekommt, sitze ich hinten eingequetscht zwischen einem älteren Pärchen und stehe die ganze Fahrt unter Dauerbegrinsung – ich liebe diese Begegnungen!
Angekommen in Ek Balam werden wir erst mal ganz klassisch durch einige Souvenirstände gelotst, vorbei an angemalten Männern mit ihren angemalten Hunden, die für ein paar Pesos für Fotos bereitstehen. Um die nächste Ecke abgebogen, ist auf einmal kaum noch was los – nur wenige Menschen schlendern über das grüne mit Steinruinen besetzte Areal. Im Blick und Zentrum der Maya-Stadt immer die größte Pyramide „Akropolis“. 107 steile, schmale, schweißtreibende Stufen (wie steil die Stufen wirklich sind, merken wir allerdings erst beim „Abstieg“) führen auf die kleine Plattform der Pyramide. Oben angekommen sind wir fast ein bisschen sprachlos, das einzige was zwischen Schnaufen noch geht ist ein begeistertes „WOW!“ – Soweit das Auge reicht: alles grün, richtig sattes grün! Der Blick ist fantastisch und er erklärt auch, warum die Ruinen erst so spät entdeckt wurden. Aus dem ringsum grünen Dschungel, ragen nur zwischendurch ein paar Spitzen anderer Maya Ruinen. Erst seit 1997 finden hier Ausgrabungen statt und immer wieder gibt es neue Entdeckungen.
Um den Oberschenkel-Muskelkater vom vielen steilen Treppensteigen perfekt zu machen, haben wir uns für den nächsten Tag direkt zwei Fahrräder gemietet – die günstige Sorte versteht sich, ohne Gangschaltung, mit Rücktrittbremse, schwergängig, rostig und absolut Spaß-versprechend.
Beim Erkunden der Gegend um Valladolid kommen die Cenoten genau zum richtigen Zeitpunkt zur Abkühlung. Cenoten sind auf der Yucatan-Halbinsel weitverbreitete unterirdische Seen in Kalksteinlöchern, gefüllt mit Süßwasser. Jede Cenote ist auf ihre Art einzigartig. Einige Cenoten sind unterirdisch miteinander verbunden zu einem der größten Höhlensysteme weltweit. Wir hatten die Tage zuvor schon viel darüber gelesen und auch tolle Bilder gesehen. Dass uns der Anblick dann aber so umhaut, dachten wir auch nicht. Durch dunkle, feuchte, steile Gänge geht es nach unten – muffiger Geruch schlägt uns entgegen, die Luftfeuchtigkeit steigt. Und dann auf einmal der magische Moment, wenn die Sonne rauskommt, das Licht durch die Höhlenöffnung strahlt und alles in der Cenote zu funkeln beginnt.
Besonders gut gefallen mir die Momente, in denen man an irgendeiner Hofeinfahrt oder einem Laden vorbeikommt, von dem aus einem kratzigen Lautsprecher lateinamerikanische Musik dröhnt, und man von irgendwoher jemanden schief und fröhlich mitsingen oder -pfeifen hört. Shazam läuft auf Hochtouren und unsere Spotify Playlist füllt sich…
Im Bus nach Merida sitze ich vor meiner Spanisch App, nebenbei läuft die Spotify Playlist über die Stöpsel im Ohr. Während ich über der Konjugation von „llamar“ fast verzweifle, kommt das passende Lied, das ich erst zwei Tage vorher geshazamt habe, als wir an einer Autowerkstatt vorbei kamen und der Techniker irgendwo unter dem Auto mitgesungen hat – …“es muy dificil!“. Doch ich bin zuversichtlich, dass auch das bald klappt 😉
Merida. Wir können uns nicht entscheiden, ob wir finden, dass es einer spanischen Kleinstadt ähnelt oder doch eher den Charme eine wuseligen Großstadt mit sich bringt – auf jeden Fall kontrastreich! Einerseits die vielen bunten Kolonialbauten in kleinen ruhigen Gassen und der großen Placa de Municipal an dem abends der Bär steppt mit Straßenkünstlern wie Sängern, Beatboxern, Breakdancern oder die Kindertanztruppe im traditionellen Kostüm. Andererseits die überfüllten und lärmenden Straßen und der Mercado Municipal, der aus allen Nähten zu platzen droht. Die engen Gassen zwischen den Marktständen, durch die sich sowohl die Locals als auch einige Touristen schieben, sorgfältig aufgestellte Mandarinentürmchen bewundern, mit Chili und Salz bestreutes Obst kaufen und dabei das Gesicht verziehen oder die Luft anhaltend an den Fisch- und Fleischständen vorbeihuschen, an denen die Schweineköpfe an Haken von der Decke hängen. Die Kulisse könnte tatsächlich aus einem schlechten Horrorfilm stammen. Wir lieben dieses bunte Markttreiben – die Farben, die Gerüche, neue Sachen entdecken, unbekannte Früchte probieren und mit den Verkäufern ins Gespräch kommen (soweit das mit unserem Spanisch klappt ;)). Gefühlt ist man beim Betreten der Markthalle schon in einer anderen Welt angekommen – Reizüberflutung der positiven Art.
Spätestens, wenn man beim abendlichen Wassereinkauf in Jogginghose auf dem Rückweg in einer Bar bei Live Musik und Mojitos landet, merkt man, dass man angekommen ist.
Uxmal. Kultur steht auf dem Programm. So ergattern wir die letzten beiden Sitzplätze im zweite Klasse Bus von Merida nach Uxmal. Ruckelpiste in einem Bus, in dem die Klimaanlage (wie so oft) bis zum Anschlag aufgedreht ist – heißt: Pullover an, Schal in die offenen Löcher der AC stopfen, um die eisige Luft wenigstens ein bisschen abzuwenden und 1,5 Stunden die Landschaft durch dreckige Scheiben vorbeiziehen (oder eher -wackeln) sehen. Wir fragen uns, warum uns aus mehreren Richtungen empfohlen wurde lieber erste Klasse zu fahren – der Bus ist zwar etwas älter aber nicht verkehrt und noch dazu pünktlich abgefahren…
Angekommen in Uxmal, eine der größten Maya Ruinen auf Yucatan, staunen wir mal wieder. Irgendjemand hat uns vorher von ein paar aufeinander gestapelten Steinen in grüner Umgebung erzählt. Sobald man sich aber ein bisschen mit der Maya Kultur beschäftigt, ist es definitiv mehr als ein paar Steine und der Ort mit seinen vielen tierischen Bewohnern alles andere als ausgestorben. Während wir oben auf einer der Pyramiden sitzen und den vorbeiziehenden Wolken in der wahnsinnig schönen Kulisse zusehen, hören wir schon starkes Geschnaufe, ohne denjenigen zu sehen, der sich da gerade die steilen Treppen hochschleppt. Kurz darauf kommt ein älterer Mann zum Vorschein, schaut sich kurz um, schnauft theatralisch und sagt dann in gebrochenem Englisch: „Ich bin ein alter Mann, hab nur noch schlappe Muskeln, ich kann googlen und mir im Internet Bilder anschauen, aber wirklich verstehen kann ich es nur, wenn ich wirklich hier stehe!“ – in dem Moment wissen wir ganz genau, was er uns sagen will.
Auf der Rückfahrt wussten wir dann, was die Leute vorher meinten mit den Busfahrten zweiter Klasse. Der Bus kam knapp 2 Stunden nach Plan, wir standen so lange in der prallen Sonne, irgendwo in der Pampas. Als der Bus dann kam, konnten wir uns gerade noch so reinquetschen um einen Stehplatz zu bekommen. Während dem Versuch sich krampfhaft an der Gepäckablage festzuhalten um nicht beim nächsten Schlagloch umzufallen, dröhnt unheimlich laute Musik (die den Blicken der Mitreisenden zu deuten vermutlich hauptsächlich dem Busfahrer gefiel) durch den ganzen Bus. In dem Moment hätte es mich nicht gewundert, wenn in unserem „Partybus“ plötzlich jemand Tequila serviert hätte. Während die Chinesin neben mir verzweifelt versucht hat, den Spagat hinzubekommen zwischen „sich selbst festhalten“ und gleichzeitig irgendwie ihre Ohren zuzuhalten, komme ich fast ein bisschen in Tanzsstimmung. Und doch bin ich ziemlich froh, als wir nach insgesamt fast vier Stunden nach Aufbruch in Uxmal wieder in Merida ankommen.
Während ich die Zeilen hier schreibe muss ich kurz darüber nachdenken, was das oft klischeehafte Bild von Mexico ist und muss doch mal schmunzeln. „Männer mit Schnurrbart, bunten Ponchos, Sombrero auf dem Kopf und Ukulele in der Hand in einer wüstenartigen und Kakteen gesäumten Kulisse.“ Sicher gibt es auch irgendwo in Mexico dieses Bild, doch es ist so viel mehr – wunderbar vielfältig, bunt und die Menschen so herzlich und voller Lebensfreude, dass man sich einfach Willkommen fühlt.