San Cristobal de las Casas. Nach knapp elf Stunden Reise sitzen wir müde im Bus der sich die Serpentinen nach San Cristobal de las Casas hochschlängelt. Es ist schon dunkel und wir ärgern uns fast ein bisschen, dass wir deshalb die Ausblicke verpassen, die wahrscheinlich gerade ganz spektakulär links und rechts von uns liegen. Eigentlich mögen wir es nicht besonders, erst bei Dunkelheit an einem neuen Ort anzukommen – die Stimmung ist oft eine andere und der erste Eindruck irgendwie „verfälscht“…und doch ist es das dritte Mal auf unserer Reise, dass es sich nicht vermeiden lässt, dass wir erst spät am Abend an unserem Ziel ankommen.
Nachdem wir nach dem langen Tag einen Bärenhunger haben, machen wir uns nach dem Einchecken im Hostel noch auf den Weg in die Stadt auf Tacos und Bier. Die Stimmung ist merkwürdig, die Armut ist greifbar. Es ist nicht mehr viel los auf den Straßen, nur einige Kinder, die alleine durch die Fußgängerzone stapfen, versuchen ihre Waren an noch rumstreunende Touristen zu verkaufen, dabei viel zu dünn angezogen für die Temperaturen, die es hier auf einer Höhe von 2.200m nachts erreicht. Ein paar Jungs – höchstens zehn Jahre alt – sitzen am Straßenrand in einer Dampfwolke und rufen uns lässig zu „Hey! Wanna smoke weed?“. Es ist einer dieser Momente, der aufwühlt, der beschäftigt – auch noch Tage und Wochen hinterher. Ein Moment, in dem man sich bewusst macht, wie gut wir es eigentlich haben in unserem Deutschland, in unserem Europa. Welches Glück wir hatten, behütet und nicht in Armut aufzuwachsen. Und auch ein Moment, in dem man sich irgendwie hilflos vorkommt.
Am nächsten Morgen ist die Stadt kaum wiederzuerkennen. Bunt, fröhlich, voll von lachenden Gesichtern und Menschen in bunten Trachten. San Cristobal könnte gemütlicher kaum sein, ein großer Teil der Innenstadt besteht aus Fußgängerzonen. Perfekt zum Rumschlendern ohne Plan, sich zwischen den hübschen Plätzen, den vielen Kirchen und engen Gassen treiben lassen. Unzählig viele Cafés in hübschen Kolonialbauten laden zum pausieren ein – ein guter Ort um einfach da zu sitzen und das Treiben um uns herum zu beobachten (ja, wir geben zu: wir lieben es, Leute zu beobachten und könnten Stunden so verbringen )
Die bunten Märkte laden zum Bummeln und Feilschen ein. Bei den tollen Kunsthandwerker Märkten ärgere ich mich manchmal fast ein bisschen über die Entscheidung zum Handgepäck. Doch: selbst mit größerem Rucksack könnte ich leider nicht auf Teufel komm raus Einkaufen, denn wer soll das alles tragen?! Und dann erinnere ich mich wieder daran, wie gut es tat, die letzten Monate mal auszusortieren und Ballast loszuwerden – also vielleicht doch alles richtig gemacht mit dem kleinen Gepäck Und zwischen all den Ständen und Märkten, die man so kennt, gibt es immer wieder Dinge, die man entdeckt oder ungläubig beobachtet, die einen völlig faszinieren oder wirklich zum Schmunzeln bringen. So haben wir zum Beispiel beim Schlendern über den Süßigkeiten-Markt (ja, richtig gelesen – es gibt hier in San Cristobal einen eigenen Markt nur für süße Leckereien ) die „Klofrau“ beobachtet, wie sie die Klopapierrolle an eine rote Markierung auf Kopfhöhe an der Wand gehalten hat, das Papier abgerollt, solange bis es den Boden berührt, dann fein säuberlich zusammenfaltet und den Klogängern beim Eintritt für ein paar Pesos in die Hand drückt. Verrückte Welt!
Die tollsten Blicke auf die Stadt hat man von den beiden Kirchen Cerro de Guadelupe und Cerro de Santa Cruz, die weit oben am Hang im Westen und Osten der Stadt liegen. Die Treppen nach oben lohnen sich auf jeden Fall!
Als wir gerade vom Cerro de Guadelupe zurück ins Städtchen kommen, herrscht buntes Treiben und Gewusel auf dem Hauptplatz. Eine noch leere Bühne, Männer stellen gerade Plastikstühle in Reihen davor auf, eine Band spielt auf dem Platz und bringt die Leute in Tanzsstimmung oder mindestens dazu, mit dem Fuß oder dem Kopf im Takt zu wippen. Hunderte Kinder in traditionellen Kleidern und Trachten wuseln um uns herum, tanzen, bereiten sich auf ihren Auftritt vor – der ganze Platz verwandelt sich plötzlich zu einer großen Fiesta. Wir wissen leider bis heute nicht, was wir da genau gefeiert haben – doch es war wunderbar!
Cañon del Sumidero. Nachdem die Wetterprognose für die nächsten Tage in San Cristobal etwas grau und regnerisch aussieht, entscheiden wir uns kurzerhand zu einer Tour zum Cañon del Sumidero in Chiapas de Corzo. Schöner Nebeneffekt: die Strecke, die wir an unserem Ankunftstag im Dunkeln gefahren sind, können wir so nun doch nochmal im Tageslicht bestaunen und lagen richtig mit unserer Vermutung. Die Ausblicke sind teilweise wirklich fantastisch.
Dass das ein „verrückter Klima“-Tag wird, ahnen wir morgens noch nicht. Als wir vom Minivan am Hostel abgeholt werden, sind wir froh über unsere Pullover und Schals – am liebsten hätten wir auch noch unsere warme Jacke drüber gezogen. Zwei Stunden später sitzen wir schweißgebadet bei 37 Grad auf einem Boot in der prallen Sonne und schippern durch den Cañon del Sumidero.
Der Canyon stand zur Auswahl für die sieben neuen Weltwunder. Das lässt keine Fragen offen. Wieder einmal staunen wir darüber, was die Natur hier geschaffen hat: eine ca. 25km lange Schlucht, durch die wir zwei Stunden mit dem Boot schippern, links und rechts von uns hoch aufragende Felswände. Jetzt heißt es „Augen offen halten“, denn mit etwas Glück, gibt es hier auch in Sachen Tierwelt einiges zu entdecken. Unser Bootsführer hat glücklicherweise ein geschultes Auge – wir hätten sonst vermutlich außer ein paar Vögeln überhaupt nichts gesehen 😉 Immer wieder ruft er „Aqui!“ („Hier!“) und zeigt mit dem Finger in eine Richtung, in der wir im ersten Moment nur Felsen, Sand oder Bäume erkennen. Beim genauen Hinsehen zeigen sich dann immer wieder besondere Vögel, Krokodile, die sich sonnen (eine Engländerin auf unserem Boot konnte nicht glauben, dass es sich hier wirklich um ein echtes Krokodil handelt und hat immer wieder gerufen „it’s plaaaastic!“ – so lange bis das Kerlchen plötzlich das Maul ganz schön weit aufgerissen hat – ja, wir sind froh in unserem sicheren Boot zu sitzen ;)) oder kleine Klammeraffen, die ganz interessiert zu uns rüber schauen. Da fragt man sich, wer gerade mehr Interesse an seinem Gegenüber hat.
Zwischen den über 1.000 Meter hohen Felsen kommen wir uns plötzlich ganz schön klein vor. Und so wunderbar dieser Ort auch ist – wie so oft die Kehrseite der Medaille: Plastikmüll! Es ist ein Thema, was uns beim Reisen ständig begleitet und beschäftigt…Krokodile in ihrer freien Wildbahn am Rande des Cañon – wow! 😦 Leider kein Wow-Anblick, wenn sie dabei auf einem Plastikteppich in der Sonne liegen 🙁
Unser erster Grenzübertritt steht bevor. Adios Mexico! Hola Guatemala! Gefühlt sind wir erst vor ein paar Tagen daheim aufgebrochen – heute verlassen wir schon wieder das erste Land unserer Reise. Sechs Wochen Mexico liegen hinter uns und so langsam merken wir, dass wir angekommen sind in unserem Reisealltag. Wir wurden hier so herzlich empfangen, haben mal wieder eine Woche lang die Schulbank gedrückt und können uns mittlerweile zumindest mit Basics ganz gut auf Spanisch verständigen, haben nicht nur einmal den Mund vor lauter Staunen nicht mehr zubekommen, hatten Ausblicke auf Landschaften, bei denen wir Gänsehaut bekommen haben, hatten tolle Begegnungen und viele kleine Glücksmomente.
Mexico, du warst wunderbar – ¡Muchas gracias!
Wir haben vorher schon viel recherchiert zum Thema Grenzübertritt nach Guatemala – „welche ist die beste Möglichkeit, wo gehen wir am besten über die Grenze, was ist am sichersten?“. Immer wieder haben wir von Demonstrationen an einigen Grenzübertritten gelesen, Reisende, die umkehren mussten, weil die Grenzen spontan gesperrt waren und so weiter. Wir werden früh morgens abgeholt, der Minivan schlängelt sich durch die Berge Chiapas, die Strecke ist wunderbar. Als sich plötzlich vor uns ein längerer Stau bildet, sich unser Fahrer weit aus dem Fenster lehnt, sich danach umdreht und sagt, dass weiter vorne wohl eine Straßensperre ist, werde ich kurz nervös. Müssen wir auch umdrehen, wie einige Reisende zuvor? Kurz darauf stellt sich heraus: Alles ganz harmlos. Einige Männer und Frauen aus dem Dorf haben sich versammelt, alte Reifen und Steine auf die Straßen gelegt, halten Stöcke in den Händen, stoppen die passierenden Autos und verlangen ein paar Pesos pro Person. Wir wissen nicht zu welchem Zweck, mit welchem Hintergrund – doch, ein paar Minuten später rollt der Van wieder und wir haben die Sperre erfolgreich passiert. Uff!
Kurz darauf gibt’s eine halbstündige Frühstückspause und die Anweisung vom Busfahrer, alle Pässe und 550 Pesos (ungefähr 25€) Ausreisegebühr bei ihm abzugeben – er würde sich gesammelt um die Ausreise kümmern. Auch etwas merkwürdig – ein Ausreisestempel im Pass, ohne dass man selbst dem Grenzbeamten gegenüber steht? Er pickt sich Manuel raus, der ihn zum Ausreisebüro begleiten soll – für uns ganz praktisch, denn wir wollen versuchen, die Ausreisegebühr zu umgehen, weil wir die eigentlich schon mit unserem Flugticket bezahlt haben…es stellt sich raus, dass das nur zählt, wenn man das Land auch mit dem Flugzeug verlässt. Alle Mann wieder rein in den Bus, Manuel verteilt die Pässe an alle während wir eine staubige Straße zum guatemaltekischen Einreisebüro entlang düsen.
Dort angekommen, geht alles ganz schnell. Anstellen in der Schlange, dem Grenzbeamten den Pass und die Einreisegebühr (die im Vergleich zur mexikanischen Ausreisegebühr mit 1,30€ ein richtiges Schnäppchen ist) entgegenstrecken, smalltalken, freundlich nicken, ein bisschen über die Witzchen des Beamten schmunzeln, sich bedanken, verabschieden – HALLO GUATEMALA!
Auf der anderen Seite des Grenzhäuschens steht schon der nächste Minivan für uns bereit. Während wir schon im Bus sitzen, werden die Rucksäcke oben auf dem Dach festgeschnallt, dabei langt der Fahrer immer wieder runter und hält uns irgendwas entgegen, was gerade beim Festzurren aus irgendeinem Seitenfach aus Rucksäcken gefallen ist…Döschen, Cremes, Pullover, Zahnbürste und -pasta. Jedes mal lacht der ganze Bus, wenn wieder irgendein skurilles Teil von oben durchs Fenster gestreckt wird, ein Mitreisender die Hand hebt und sein Hab und Gut an sich nimmt. Guatemala empfängt uns mit bergigen Landschaften, plätschernden Gebirgsbächen und freundlichen Gesichtern. Unser erster Stopp ist Quetzeltenango – wir freuen uns, auf das was uns in diesem Land erwartet.