Makassar, Bira

Makassar, Bira

Das erste Mal dass wir irgendwo landen, wo die Schlange an der Immigration für einheimische Pässe länger ist, als die der Ausländischen.

Die ersten Tage sehen wie außer ein paar weiteren Touristen am Flughafen keine Urlauber. Die Einheimischen sind interessiert an uns, sprechen uns an, wollen ein Selfie machen oder manchmal auch einfach nur ihren Freunden zeigen, dass sie ein paar Brocken Englisch beherrschen.

Schon am ersten Tag in Makassar ist mir klar: ich brauche dringend einen langen Rock oder eine leichte lange Hose. Die Einwohner Süd-Sulawesis sind zum Großteil muslimisch. Frauen tragen knöchellange Kleider und Kopftuch. Nur ganz vereinzelt sehen wir Frauen in kurzen Hosen und ohne Kopfbedeckung. Obwohl ich mich vorher intensiv eingelesen habe und diverse Blogbeiträge und Reiseführer schreiben, auch Frauen können problemlos in kurzer Kleidung herumlaufen, ziehe ich bei unserem ersten kleinen ca. einstündigen Stadtbummel in Makassar mit meinen hellen Haaren und der kurzen Hose die Blicke auf mich. Ob sie abfällig oder anzüglich sind, kann ich nicht deuten – fest steht, für die nächsten Wochen werde ich meinen Kleiderschrank vermutlich etwas anpassen müssen, um nicht ständig unangenehm angestarrt zu werden.

Erster Stopp nach Makassar ist Bira, am südöstlichen Zipfel von Sulawesi. Spätestens als wir am Busbahnhof ankommen, um den öffentlichen Bus zu nehmen, wird uns klar, dass in Sulawesi die Uhren noch etwas anders ticken und Tourismus hier tatsächlich noch weniger verbreitet ist, als in anderen Gegenden des Landes. Kaum vorstellbar, dass Bali, Lombok und das hier zu ein und dem selben Land gehören soll! Der Busbahnhof wirkt eher wie ein sehr großer Parkplatz. Als wir aus unserem Grab Taxi aussteigen, werden wir sofort belagert von ungefähr zehn Leuten, die alle auf indonesisch auf uns einreden. Es gibt keinen öffentlichen Bus, erklärt uns ein Mann, während er uns mit seinen überdimensionalen und krummen Schneidezähnen angrinst. Mit Händen, Füßen, unserer Übersetzungs-App und seinen drei Brocken Englisch erzählt er uns dann von unseren Optionen. Nämlich erstens „Charter“ – also einen Privatfahrer, der uns direkt zu unserer Unterkunft bringt, oder zweitens „Only go, you two!“ – was das bedeutet wissen wir nicht, kostet allerdings nur etwas mehr als die Hälfte des Privatfahrers. Also wählen wir „Only go, you two!“ – des Rätsels Lösung: ein Sammeltaxi. Immer wieder halten wir kurz am Straßenrand an, während unser Fahrer versucht, weitere Mitfahrer zu gewinnen. Kurz darauf sitzen wir zu sechst im Auto, in dem angeblich die Klimaanlage kaputt ist und wir deshalb mit warmem Fahrtwind, teilweise dem Zigarettenqualm der Fahrers und offenen Fenstern unterwegs sind. Der Schweiß läuft uns übers Gesicht und der schweißnasse Rücken klebt am Ledersitz fest. Die nächsten 190 km und sechs Stunden, eiern wir mit ca. 40 Stundenkilometern gen Süden. Vorbei an kleinen Dörfern, grünen Maisfeldern und staubtrockenem Land, Meerblick auf der einen und Bergblick auf der anderen Seite, winkenden Menschen, indonesischer Popmusik und geteilten Bananen und Snacks unserer Mitreisenden.

Wir kommen bei Dunkelheit an, hören das Meer rauschen und sind schon voll gespannter Vorfreude, auf den ersten Blick am nächsten Tag bei Tageslicht. Die erste Nacht ist etwas unruhig wegen einer Affenbande auf unserem Palmdach (sie haben da oben einen Höllenlärm gemacht und uns schreckhaft aus dem Schlaf gerissen, ein Affe ist beim Sprung vom Baum auf unser Häuschen wohl mit seinem Hinterbein in unser Badezimmerdach eingekracht – nicht unbedingt geräuschlos – und hat ein großes Loch hinterlassen). Der erste Blick am Morgen könnte schöner kaum sein: blauer Himmel, weißer, feiner Sandstrand und türkisfarbenes Wasser. Auf einer kleinen hölzernen Plattform, die in den Fels gebaut ist, sitzen wir bei einer Meeresbrise zum Frühstück mit frischem Kaffee und sind schon am ersten Morgen begeistert von diesem hübschen Ort.

Es wird einer der Orte, an denen wir ständig wieder an der Rezeption unserer Bungalowanlage stehen und fragen, ob wir doch noch eine Nacht dran hängen können. So kommt es, dass wir insgesamt drei verschiedene Bungalows bewohnen, weil das Häuschen in dem wir gerade sind, für die nächsten Nächte nicht mehr verfügbar ist. Die schönste Hütte: Ein kleines Holzbungalow mit Palmdach, verglaster Front, Veranda inklusive Hängematte und Blick aufs offene Meer, die schöne Bucht und fantastische Sonnenuntergänge. Am liebsten wollen wir an diesen beiden Tagen gar nicht viel unternehmen, sondern nur auf dieser unfassbar schönen Veranda sitzen. Für einen Halbtagesschnorcheltrip und den Aussichtshügel Pua Janggo in Bira reicht es aber dann doch im Programm 😉 Gelohnt hat es sich allemal.

Bira ist ein früheres Fischerdorf bewohnt von dem ehemaligen Nomadenstamm „Bugis“. Die Bugis waren früher bekannt als Piratenvolk und verdienten ihr Geld hauptsächlich im Schiffsbau. Bis heute hat sich das nicht geändert. So schwingen wir uns auf den Roller und erkunden die Umgebung. Hinter fast jedem klapprigen Holzhüttchen verbirgt sich eine Werft mit Schiffen in verschiedenen Größen und verschiedenen Baufortschritten. Sobald wir am Straßenrand anhalten und einen neugierigen Blick rein werfen, werden wir mit Feuereifer reingewunken und die Pinisi Bauer zeigen mit stolz geschwellter Brust ihre Schiffe und freuen sich im Gegenzug über ein Selfie mit uns.

Kadek nimmt uns direkt mit auf die Baustelle (mit Sicherheitsflipflops an den Füßen versteht sich). Über eine wackelige Holzbrücke geht es auf ein riesiges Schiff, was für mehrtägige Tauchsafaris eingesetzt werden soll. Seit neun Monaten arbeiten sie schon daran, drei bis vier weitere werden noch folgen, bis das Schiff einsatzbereit ist. Wahnsinnig beeindruckend, wie mit reiner Mannkraft ein so großes Schiff entsteht.

Direkt ein paar Höfe weiter werden wir von einem älteren Mann reingewunken. Gerade wurde die Feierabendzigarette angezündet, die beiden Arbeiter lehnen sich zurück und schauen zufrieden ihre Arbeit von heute an – ein kleines Fischerboot hat einen frischen Anstrich bekommen. Während wir mit ihnen dort sitzen, schauen die Nachbarn von allen Seiten schon neugierig zu uns herüber. Wir verabschieden uns und legen vor der Weiterfahrt nochmal eine Schicht Sonnencreme nach. Während wir noch an der Hofeinfahrt stehen, haben sich die Nachbarn schon dort versammelt, wo wir bis vor ein paar Minuten noch saßen und winken uns freundlich zu. Scheint so, als wären wir gerade das neue Gesprächsthema im Dorf 😄

Nächster Stopp nach Bira soll das Torajaland im Norden von Südsulawesi sein. Weil die Strecke doch etwas lang ist, um sie auf einen Rutsch zu fahren, planen wir einen Zwischenstopp in Sengkang. Am liebsten wollen wir den sechsstündigen Umweg über Makassar vermeiden. Doch wie schon auf dem Weg nach Bira, stehen wir mit der Transport-Orga auch in Sachen Weiterreise vor einer Herausforderung. Wir finden nichts offizielles, keinen öffentlichen Bus, ein Taxi ist uns zu teuer. Wir fragen uns bei allen möglichen Einheimischen durch und bekommen immer eine ähnliche Antwort: „Ein Bus nach Sengkang? Oder Toraja? Gibt es nicht…ihr könnt mit dem Taxi fahren oder eben die Schleife über Makassar!“. Irgendwann kommt eine Mitarbeiterin in unserer Bungalowanlage auf uns zu – vielleicht gäbe es doch eine direkte Verbindung, es könnte sein, dass ein Bus von Bulukumba (etwa eine Stunde von Bira entfernt) fährt – morgens um 05:30 Uhr, aber auch nur vielleicht. Das ist uns alles zu wage – so sitzen wir am nächsten Morgen doch wieder im Auto nach Makassar, es führt wohl kein Weg daran vorbei.

Die Fahrt ist angenehmer als die Hinfahrt vor ein paar Tagen. Ein Pärchen hält uns am Straßenrand an, sie wollen auch nach Makassar, doch sind nicht nur zu zweit. Mit dem Roller fahren sie vorneweg, unser Fahrer hinterher, in ein etwas abseits gelegenes Dörfchen. Dort werden wir direkt von einer winkenden Großfamilie empfangen. Jeder will mal zum Fenster reinschauen, winken, Hände schütteln oder einfach ein bisschen lachen. Mit drei Erwachsenen und zwei Kindern steigen unsere Mitfahrer hinten auf die Rückbank, auf die wir vermutlich nur zu zweit gepasst hätten 😄

Als wir in Makassar aus dem Auto steigen, werden wir gleich neugierig beäugt und angelacht – schließlich kommt ein Mann auf uns zu. Seine Tochter würde sich so sehr ein Foto mit uns wünschen, also steht kurz darauf ein zwölfjähriges Mädel zwischen uns und wir grinsen in die Kamera. Es ist nicht das letzte Mal an diesem Tag.

Dieses Mal kommen wir in einer anderen Gegend in Makassar unter, in der ich mich deutlich wohler fühler als beim ersten Zwischenstopp – auch ohne lange Hose 😉

Beim Abendessen versuchen wir unsere Weiterreise nach Tana Toraja zu planen. Im Hotel konnte man uns keine Auskunft geben, nur den Hinweis in gebrochenem Englisch „Check internet“ zu den Busverbindungen Richtung Norden. Nachdem wir online nichts finden können, sprechen wir den Restaurantbesitzer an, ob er sich mit dem öffentlichen Busnetz auskennt. Ein paar Minuten später kommt er ganz aufgeregt mit dem Telefon eingeklemmt zwischen Kopf und Schulter und wedelt mit einem Zettel – wir sollen unsere Namen aufschreiben, er hat gerade das Busunternehmen an der Strippe und reserviert uns gerade schon Tickets für den nächsten Morgen.

Während dieser ganzen Aktion beobachten uns drei junge Mädels neugierig vom Eingang des Restaurants. Als wir Anstalten machen zu bezahlen und aufzustehen kommen sie plötzlich auf uns zu. „Helloooo Miss, helloooo Mister! Can we make interview for university“ – klar können sie! In Nullkommanichts ist eine Kamera auf uns gerichtet, ein Handy liegt mit Aufnahmefunktion auf dem Tisch vor uns und dann beginnt das Interview: „okay, first question is: what’s your name?“, „okay, second question is: where are you from?“ So geht das ganze dann noch eine Weile weiter, hinterher gibt’s natürlich noch ein Selfie und weil wir gerade dabei sind, will die Kellnerin natürlich auch noch eines. So langsam kommen wir uns hier ein bisschen vor wie Medienstars 😂

Am nächsten Morgen sitzen wir im erstaunlich komfortablen Bus nach Rantepao (die elf Stunden Fahrt sind sogar recht schnell vorüber) und sind gespannt, was uns dort erwartet.

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