Hello Auckland, hello Jetlag, hello again, westliche Welt und geordnete Straßenverhältnisse
Bali verabschiedet uns mit einem tollen Sonnenuntergang. Am Flughafen geben wir seit langem mal wieder Gepäck auf und steigen in den ersten von zwei Fliegern. Bei unserer kurzen Zwischenlandung in Melbourne haben wir nur eine knappe Stunde Umstiegszeit. Als wir aus dem Flugzeug steigen, geht das Boarding für den nächsten Flug offiziell schon los. Bei der Sicherheitskontrolle wird mein Gepäck dreimal durchleuchtet, irgendwas stört die Beamten, doch sie können nicht finden, was es ist. Ich frage, was sie suchen – etwas spitzes, metallenes – muss mein Zahnstocher aus Edelstahl sein. Also hole ich das Teil aus meinem Kulturbeutel, zeige es, erkläre, um was es sich handelt. „Oh Darling, you damage your teeth with that!“, grinst sie mich an, drückt mir meinen Kulturbeutel wieder in die Hand. Alles aus meinem Rucksack liegt verstreut auf dem metallenen Tisch – schnell wieder einpacken. Während Manuel extrem entspannt ist, werde ich so langsam nervös, dass wir zu spät zu unserem Weiterflug kommen. Und wie es der Zufall will, werde ausgerechnet ich ausgewählt für einen Sprengstofftest, der ist (wie sollte es in der Situation auch anders sein) auch noch positiv. Es muss ein zweites Mal getestet werden. Heißt: wieder ein paar Minuten warten, bis das Gerät die Testergebnisse ausspuckt. In der Zwischenzeit wird unser Flug schon ausgerufen. Ich hasse Stress am Flughafen. Manuel ist wie so oft noch die Ruhe in Person, will noch einen Toilettenstopp einlegen, gegen den ich aus Angst zu spät zu kommen, ein Veto einlege. „Dann musst du eben im Flugzeug gehen“, sage ich, während wir Richtung Gate sprinten. Dort hat sich schon eine superlange Schlange gebildet und natürlich (wie soll es anders sein): es tut sich noch gar nichts. „Hab ich doch gesagt! Ois easy!“, verabschiedet sich Manuel grinsend auf die Toilette. Zwanzig Minuten später boarden wir.
Auckland empfängt uns mit angenehmen 23 Grad und Sonnenschein, was sich wunderbar anfühlt nach den letzten wirklich extrem schwül-heißen Tagen auf Bali. Am Flughafen nehmen wir unseren Mietwagen in Empfang und machen uns auf den Weg zu unserem AirBnB. Das erste was uns auffällt und vielleicht schon etwas als Reverse-Kulturschock zählt: geordnete Straßenverhältnisse! Kein Gehupe, kein wildes Überholen oder getunte Roller und Motorräder, die lautstark an einem vorbei rasen, Rot heißt Rot und geblinkt wird auch wieder. Linksverkehr hatten wir nun auch schon eine Weile in asiatischen Ländern und sind recht vertraut damit. Lediglich der Scheibenwischer, der jedes Mal beim Versuch zu Blinken quietschend über die trockene Scheibe ruckelt, zeigt, dass wir eigentlich Linkslenker sind und bringt uns jedes Mal wieder zum Lachen.
Mietwagen und Air BnB haben wir uns für die komplette erste Woche in Neuseeland gemietet, sodass wir erstmal in Ruhe ankommen können und uns nach einem Campervan umschauen können. Nach einem ausgedehnten Plausch mit unseren Air BnB Gastgebern, gehts (das erste Mal seit längerer Zeit) zum Einkaufen in einen richtigen, gut sortierten Supermarkt. Als wir zurück zur Unterkunft kommen, merken wir, dass wir doch etwas müde sind. „Zwanzig Minuten! Mit Wecker, ohne Snooze und dann direkt wieder Aufstehen!“, lautet unsere Vereinbarung, bevor wir die Augen zumachen. Die Rechnung haben wir allerdings ohne unseren Jetlag gemacht, der härter zuschlägt als erwartet. Drei Stunden und unzählige Snooze-Einheiten später ist unser „kurzer Mittagsnap“ dann doch etwas ausgeartet. Uff. Am nächsten Morgen kommen wir dafür erstaunlich gut aus den Federn.
Ein Gebrauchtwagenmarkt und maßlose Überforderung
Wir machen uns auf den Weg zum Gebrauchtwagen-Markt, der jeden Sonntag in Auckland stattfindet. In den letzten Tagen haben wir schon viele Anzeigen online durchforstet, um einen groben Überblick zu bekommen, was es alles gibt in Sachen Ausstattung und Co. Ganz ehrlich: dort angekommen sind wir maßlos überfordert. Es gibt viel zu viel Auswahl und wir haben beide keinen Schimmer von Autos. Jeder hat natürlich DEN perfekten Van zu verkaufen, der zwar schon uralt ist, Kilometer ohne Ende auf der Uhr hat, aber natürlich super läuft und nie Probleme macht. Teilweise sind sie fancy eingerichtet oder auch mal ganz spartanisch, bei anderen wundert man sich, wie man sich überhaupt in dem Fahrzeug bewegen soll. Von super neu und weit über unserem Budget bis Vans aus 1982 mit knapp 500.000 km, die immer noch hoch gehandelt werden ist alles dabei. Nach gefühlten zwanzig Vans, die wir uns genauer angeschaut haben, brauchen wir eine kurze Pause. Völlige Überforderung! Wir entscheiden uns nicht mehr weiterzuschauen, sondern die beiden Favoriten der bisher gesehenen nochmal genauer unter die Lupe zu nehmen. Während uns einer der beiden Vans quasi vor der Nase weggekauft wird, machen wir eine Probefahrt mit dem anderen und verabreden uns mit Emma, der Verkäuferin am nächsten Morgen in einer Werkstatt.
Dort bekommt der Van eine Steinschlagreparatur und einen komplett neuen WOF (vergleichbar mit unserem TÜV). Den Werkstattmann mit seinem extrem ausgeprägten Dialekt können wir kaum verstehen – fühlt sich so an, als würde er eine komplett fremde Sprache sprechen. Das einzige was wir am Ende verstehen, ist: „Well, it seems to be in a good shape!“ (war scheinbar doch Englisch). So lesen wir noch einmal den Werkstattbericht durch, der uns alles verrät, was wir vorher mündlich nicht verstanden haben, versuchen, den Preis noch etwas zu runterzudrücken, drehen eine zweite kleine Proberunde und versuchen unser Bauchgefühl zu deuten. Danach sagen wir Emma einem Kauf zu und verabreden uns zwei Tage später wieder mit ihr für Übergabe und Papierkram. Aaaah, wie aufregend!
Gelbe Schilder mit aufgedruckten Kiwis und Neuseeland, wie ich es mir vorgestellt habe
Weil die Werkstatt in der wir uns getroffen haben sowieso etwas außerhalb der Stadt liegt, verknüpfen wir das Ganze mit einer Weiterfahrt auf die Halbinsel Whangaparoa und sehen so das erste Mal hier in Neuseeland auch etwas anderes, als Autobahnen, Supermärkte, Parkplätze oder Werkstätten. Und, wow! Genauso hab ich mir Neuseeland (unter anderem) vorgestellt: Grüne Hügel, wurzelige Bäume, die eine ganz eigene Magie ausstrahlen, tolle Ausblicke auf die Küste, wo die Wellen mit lautem Tosen auf die Felsen prallen, Gelbe Hinweisschilder mit aufgedruckten Kiwis und Schafe, Schafe, Schafe.
Herzlich Willkommen, neuer Weggefährte – ein unbürokratischer Autokauf und eine gründliche Putzaktion
Nachdem der Banktransfer für den Kauf geglückt ist, verabreden wir uns mit Emma auf einem Parkplatz, an dem es auch eine Postfiliale gibt. Wir haben beide schon ein paar Autos gekauft – noch nie war es so einfach. In der Postfiliale füllen wir jeweils ein Formular aus, Emma wirft ihres in einem Umschlag in den Briefkasten, wir geben unseres an der Theke ab und bezahlen ein paar Dollar Umschreibungsgebühr. Ein paar Minuten später drückt uns Emma einen goldenen Schlüssel in die Hand, der aussieht wie ein gewöhnlicher Haustürschlüssel und beglückwünscht uns, zum neuen Weggefährten. Das war es also schon, ganz schnell und unbürokratisch.
Zurück zum Air BnB fährt Manuel unseren Mietwagen, ich den Van. Und während ich da sitze, fahre und dem Scheibenwischer zusehe, wie er beim Herausfahren aus dem Kreisel mal wieder auf und abschwingt, bin ich gleichzeitig aufgeregt, kribbelig im Bauch, saumäßig zufrieden und kann nicht aufhören vor mich hin zu grinsen.
Die nächsten Stunden und Tage folgt eine größere Putzaktion. Wir räumen erst einmal alles aus, was uns die Vorgängerin an Camping Zubehör und Werkzeug hinterlassen hat. Spülen Geschirr, Waschen Bettwäsche, Putzen und fahren gefühlt dreimal am Tag zum Baumarkt oder sonstige Läden, um uns einzudecken mit dem, was uns noch fehlt zur heimischen Gemütlichkeit. Nach und nach räumen wir unsere Rucksäcke aus und alles, was sie so beinhalten im Van wieder ein. Alles findet seinen Platz und teilweise nochmal einen anderen, wie zum Beispiel die Besteck-Kiste, die beim Ausfahren am ersten Kreisel aus dem Regal rutscht und mit lautem Geschepper auf dem Boden landet. Ja, alles muss gelernt sein im Camper-Dasein.
Als wir eines abends mit unserer Arbeit im Van fertig sind, legen wir uns nochmal ins frisch bezogene Bett und lassen die letzten Tage Revue passieren. „Komm, lass uns heute schon hier im Bus schlafen!“, schlägt Manuel vor. So bleibt das Air BnB Bett ab sofort kalt und wir ziehen schonmal ein in unseren Camper, der soooo viel gemütlicher als unser Zimmerchen und das Bett um einiges bequemer ist als die Federkernmatratze im Haus nebenan.
Weihnachtsstimmung im Sommer und unser erster Christmas-Drive-Thru
Während wir auf Bali noch geschmunzelt haben über die geschmückten Plastiktannenbäume in den Restaurants, wirkt hier alles schon etwas authentischer. Weihnachtsmänner, Rentiere, Wichtel und Lametta in allen möglichen Dimensionen. „I’m dreaming of a white Christmas“ schallt durch die Lautsprecher im Supermarkt und bleibt hier wirklich nur ein Traum bei den sommerlichen Temperaturen. Während Manuel so gar nicht in Weihnachtsstimmung kommt, stecke ich plötzlich mittendrin.
Als wir beim Vorbeifahren an einem Schild „Christmas Drive Thru“ vorbeikommen, schütteln wir uns schon vor Lachen. Das müssen wir uns anschauen! In Schrittgeschwindigkeit und mit heruntergelassenen Fenstern folgen wir dem Auto vor uns. Plötzlich sind wir mittendrin, in der Weihnachtsgeschichte. Während auf der rechten Seite Kaiser Augustus lautstark zur Volkszählung aufruft, sehen wir links die Hirten, die zwischen ihren blökenden Schafen stehen, winken und uns ein fröhliches „Meeeerry Christmaaaas“ zurufen. Um die nächste Kurve warten dann auch schon Maria, Josef und das kleine Jesuskind auf uns und der himmlische Chor direkt nebenan verkündet die frohe Botschaft. Die drei Könige kämpfen gerade mit ihrem Alpaka, dass nicht so recht still stehen will und drei Engel an der Ausfahrt versorgen uns für die Weiterfahrt noch mit ein paar Zuckerstangen. Ein absolut witziges Advents-Event.
Spätestens nach der Aktion bin ich so weit im Weihnachtsfieber, dass Plätzchen backen auf die Tagesordnung für morgen muss. Weil die Küche in unserem Air Bnb allerdings eher spärlich ausgestattet ist, entscheiden wir uns kurzerhand für Chocolate-Pretzel, die wir nach eigenem Rezept zubereiten. Leider haben wir wohl irgendetwas falsch gemacht, denn die Teile fangen an zu schmilzen, sobald man sie nur anschaut. „Dann müssen wir sie eben schneller essen“ – so ein Pech aber auch… (ansonsten hätten sie mit Sicherheit bis Weihnachten gereicht!)
Auckland City, Westküstenstrände und große Wiedersehensfreude
In den nächsten Tagen erkunden wir die Innenstadt Aucklands, die zwar recht gemütlich, aber als Stadt für unser Empfinden auch nicht sooo spektakulär ist. Das spannendste an dem Tag: Auf dem Aotea Square sitzen und die Familien beobachten, die aus der Town-Hall kommen, ihren Kindern zum erfolgreichen Abschluss gratulieren und für Fotos in allen möglichen Konstellationen und Posen vor dem riesigen Tannenbaum posieren. Die Schulabgänger sind nicht nur mit Robe und dem klassischen Schulabgänger-Hut ausgestattet, sondern vollbehängt mit Ketten aus Süßigkeiten oder kleineren und größeren Salamiwürsten um den Hals. Was für eine Show.
Viel besser als die Innenstadt selbst gefallen uns die Spaziergänge an den wilden Westküstenstränden, der Hausberg der Stadt „Mount Eden“, auf dem wir einen tollen Rundumblick auf die Stadt haben und die Fahrten in die Natur. Während wir dort unterwegs sind, können wir es kaum erwarten, endlich mit unserem neuen Weggefährten auf Tour zu sein und rauszukommen aus der Stadt.
Und dann endlich ist er da, der Sonntag, auf den wir gewartet haben. Kathi und Markus, liebe Freunde aus der Heimat verbringen ihre Hochzeitsreise in Neuseeland und sind in der Nacht in Auckland gelandet. Schon als wir im Sommer daheim auf ihrer Hochzeit waren, haben wir gewitzelt darüber, wie genial es wäre, uns am anderen Ende der Welt zu treffen. Dass es jetzt wirklich so weit ist und tatsächlich zustande kommt ist doppelt toll und irgendwie total verrückt. Wir laufen vom Parkhaus zum Aotera Square, wo wir uns mit den beiden verabredet haben. Dort sitzen sie gemütlich in Liegestühlen in der Sonne, warten auf uns und es fühlt sich so an, als hätten wir uns erst vorgestern gesehen. Verrückte Welt, und so schön, Freunde zu haben, mit denen sich alles sofort vertraut und gut anfühlt. Ihr könnt euch vorstellen, wie unsere nächsten Tage zusammen aussehen: Geschichten, Gelächter und gute Gespräche 🙂
Unser letzter Abend in Auckland und ein holpriger Start ins Camperleben
Ein paar Tage vorher: „Meldet euch doch mal bei Ulli!“, schreiben mir Tante und Onkel gleichzeitig und schicken mir eine Nummer durch. Ulli ist eine Freundin von ihnen, die schon vor einigen Jahren ausgewandert ist nach Neuseeland und in Auckland lebt. Als ich ihr schreibe, dass wir gerade hier sind und ob sie ein paar Tipps für die Gegend hat, bietet sie uns wie selbstverständlich an, dass wir gerne vorbei kommen können, falls wir einen Schlaf- oder Parkplatz brauchen.
Das Angebot nehmen wir an diesem Sonntag dankend an. Kathi und Markus können am nächsten Tag ihren Camper bei der Vermietung abholen, wo wir uns für den Morgen verabreden, um dann gemeinsam loszuziehen und die ersten paar Tage gemeinsam zu verbringen.
Bevor wir am Abend bei Ulli ankommen, holen wir uns noch eine Take-Away-Pizza, um dort schon gesättigt anzukommen (wir wollen schließlich möglichst wenig Aufwand machen). Wir machen ein gemütliches Picknick im Park, bevor wir uns von Kathi und Markus verabschieden. Während wir zum Parkhaus laufen und die Pizza uns schwer im Magen liegt (so lecker war sie dann auch nicht), kommt eine WhatsApp von Ulli rein: „Hoffe, ihr habt noch nichts gegessen! Es gibt Nudeln mit Pesto und Lachs“ – neiiin! Als wir ankommen, empfangen uns Ulli und ihr Mitbewohner Dave so herzlich, als würden wir uns schon mehrere Jahre kennen.
Unser Auto lassen wir erst einmal auf der Straße stehen, weil die Hofeinfahrt gerade noch blockiert ist. So sitzen wir da gemütlich bei ein paar Gläschen Sekt, unterhalten uns gut über Gott und die Welt und klappern gedanklich alle möglichen Kneipen in unserer Heimatstadt ab. „Will nur noch schnell den Van von der Straße wegfahren und umparken in den Hof“, sage ich, als wir uns ins Bett verabschiedet haben und laufe mit dem Schlüssel los. Als ich ihn in die Zündung stecke, merke ich schnell, das etwas nicht passt. Wir hatten vorher das Licht angelassen und sind jetzt komplett ohne Saft. Was für ein Start in unseren Roadtrip! Und das ausgerechnet dann, wenn wir eine Verabredung am nächsten Morgen haben. Das Gute daran: Das wird uns vermutlich so schnell nicht mehr passieren 😀
Als ich Ulli frage, ob sie ein Überbrückungskabel hat, schreibt sie eine kurze Notiz an Dave, dass er seines am Morgen bevor er zur Arbeit geht bereit legt. Am nächsten Morgen liegt nicht nur ein Kabel bereit, sondern Dave nimmt sich extra vor seiner Arbeit noch die Zeit, uns zu überbrücken und den Van dann auch noch an ein Ladegerät zu hängen, sodass die Batterie sicher wieder genug Power hat. Als wir uns verabschieden, sagt Ulli noch „meldet euch gerne wieder, falls ihr nochmal in die Gegend kommt!“ – zu dem Zeitpunkt wissen wir noch nicht, dass wir wirklich schon bald wieder kommen 😉
TAUSEND DANK an euch beide, für eure Gastfreundschaft, eure Hilfe und so viel Herzlichkeit 🙂
Mit etwas Verspätung kommen wir zur Mietstation, wo Kathi und Markus schon sitzen und noch Papierkram erledigen. Kurz darauf gibts für die beiden eine kurze Einweisung, danach gehts auf zum Supermarkt, für den Großeinkauf. Coromandel, wir kommen!