Hallo Guatemala! Xela & der Atitlán See

Hallo Guatemala! Xela & der Atitlán See

Quetzaltenango oder Xela („She-la“), wie die zweitgrößte Stadt Guatemalas liebevoll von ihren Einwohnern genannt wird. Auf den ersten Blick erstmal unspektakulär, doch beim zweiten Hinsehen gibt es unheimlich viele schöne Ecken. Xela wirkt „normal geblieben“, alles geht seinen gewohnten Gang, ohne den Touristen dabei gefallen zu wollen. Andere Reisende trifft man hauptsächlich im Hostel, die Straßen sind holprig und dreckig, die Märkte chaotisch, die Auswahl an Restaurants und Aktivitäten hält sich in Grenzen.

Obwohl wir ursprünglich nur drei Tage hier geplant haben, bleiben wir am Ende eine ganze Woche. Unsere eigentlichen Pläne müssen wir kurzfristig über den Haufen werfen, wegen einer heftigen Magenverstimmung. Wir nehmen uns Zeit, schieben unsere geplante Wanderung auf den nahe gelegenen Vulkan immer wieder auf morgen, übermorgen,…- „erst mal fit werden“ sagen wir uns jeden Tag aufs Neue.

Weil Manuel an unserem zweiten Guatemala-Tag komplett „ausgeschaltet“ ist, ziehe ich alleine los, um die Stadt zu erkunden. Mein erster Stopp führt mich auf den Friedhof, der zu den TOP10 der To Do’s in Quetzeltenango zählt. Ja, es hört sich wirklich komisch an – ein Friedhof unter den wichtigsten Sehenswürdigkeiten einer Stadt – doch sobald man angekommen ist, kann man irgendwie nachvollziehen, warum das so ist. Es ist ein Ort mit einer ganz besonderen Stimmung – ein riesen Gelände mit grünen Wiesen, ausladenden Bäumen, knallbunten Grabsteinen, kleine Kapellen, teilweise sogar Familiengräber im ägyptischen Stil. Das alles in einer Kulisse aus Bergen und Vulkanen. Nachdem ich blöderweise erstmal mitten in eine Beerdigung geraten bin, verlasse ich den Hauptweg, um der Trauergesellschaft zu entkommen und schlendere durch die bunten Gänge.

Als ich mich auf den Rückweg machen will, spricht mich ein älterer Mann an, der gerade die Blumen am Familiengrab gießt. Mit einer Mischung aus „only little English“ und „solo un poquito español“ kommen wir ins Gespräch. Er heißt Hector, stammt aus Guatemala City und lebt schon seit Jahrzehnten in Xela. Er will wissen wie ich heiße, wie alt ich bin, wie mir seine Heimat gefällt, wie lange ich bleibe was meine Reisepläne sind und woher ich komme. „Deutschland“ ist sein Stichwort – ungefragt bekomme ich eine 20-minütige Führung über den Friedhof – inklusive aller deutschen Gräber, dem eines ehemaligen guatemaltekischen Präsidenten und dem bekannteste Grab des Friedhofs (an dem ich ohne Hector schnurstracks vorbei marschiert wäre).

Es ist das Grab von Vanushka, einer rumänischen Zigeunerin, die in den 20er Jahren mit einem Wanderzirkus in die Stadt kam. Der Sohn des Bürgermeisters sah sie bei einer Aufführung und verliebte sich sofort unsterblich. Der Bürgermeister war jedoch gegen die junge Liebe und schickte seinen Sohn kurzerhand nach Spanien zum Studieren, um die Beziehung zu unterbinden. Vanushka ist der Legende nach vor lauter Sehnsucht an einem gebrochenen Herzen gestorben. Heute kommen immer wieder Menschen an ihr Grab, bringen Blumen und schreiben ihre Namen auf den Stein, in der Hoffnung, ihre verlorene Liebe zu finden. Geschichten einer Stadt…

Auf dem Rückweg meines Spaziergangs schiebe ich mich durch die engen Gassen zwischen Marktständen in einer verwinkelten Markthalle und trinke gemütlich  einen Kaffee am Central Park während ich das wilde Winken und Gewusel der Chickenbus-Begleiter beobachte. In dem Moment werde ich schon wieder angesprochen – Alberto, streckt mir seinen zerfledderten Fingerkuppen unter die Nase und erzählt mir, dass er Gitarrenlehrer ist. Mein erster Gedanke: „Jetzt will er mir sicher gleich Gitarrenstunden oder Konzertkarten aufschwätzen!“ Doch dem ist nicht so: Alberto ist einfach interessiert an anderen Kulturen, freut sich über Reisende in seiner Stadt und mag es, wenn er ein paar Worte auf Englisch wechseln kann. Schreibt gleich seine Mailadresse auf, sollten wir irgendwelche Fragen haben oder Hilfe brauchen, während wir in Guatemala unterwegs sind, können wir uns jederzeit melden – wir sind ja jetzt schließlich Amigos.

Manchmal ärgere ich mich über mich selbst, über die Abwehrhaltung und die Skepsis, die ich oft ganz automatisch annehme. Dass ich auf Reisen teilweise erstmal kritisch reagiere, wenn ich aus dem Nichts angesprochen werde (zu oft bin ich in irgendwelchen nicht enden wollenden Verkaufsgesprächen gelandet). Doch meistens sind das im Nachhinein die besonderen Erlebnisse – die Begegnungen, die einem im Kopf bleiben. Ich versuche ganz bewusst, das abzulegen: mich vorurteilsfreier durch die Welt zu bewegen und einfach mehr auf mein Bauchgefühl zu hören. In den meisten Menschen steckt eben das Gute, sie sind offen, herzlich und freundlich. Man grüßt sich hier oder lächelt sich wenigstens zu – so haben wir Guatemala in den letzten Tagen kennengelernt.

Nach ein paar Tagen geht es Manuel wieder etwas besser. Endlich! Wir nutzen den Tag um zum Cerro de Baul zu laufen, einem Aussichtspunkt über der Stadt und zelebrieren „Fasching“ auf guatemaltekische Art. Überall auf den Straßen werden bunte Eier „cascarones“ verkauft (Huch, ist hier schon Ostern?), die mit Konfetti „pica pica“ gefüllt werden. Die Eierschalen schlägt man sich dann gegenseitig auf den Kopf – eine schöne Tradition, finden wir. Für den Folgetag buchen wir unsere Vulkantour, die wir mittlerweile ein paar Mal verschoben haben.

Am nächsten Morgen soll es um 6:00 Uhr los gehen – wir freuen uns. Als um 5:00 Uhr der Wecker klingelt ist schnell klar: Heute geht gar nichts! Unser Magen-Darm-Thema ist zurück, und zwar heftiger als alle Tage zuvor. Jetzt bringt Aufschieben langsam nichts mehr – wir müssen zum Arzt. Also: Wanderung absagen, stattdessen entscheiden wir uns, weiterzufahren an den Atitlán See. Der Tapetenwechsel tut nach einer Woche in Quetzeltenango gut.

San Pedro. Auf dem Weg dorthin wird uns noch von dem Ort abgeraten – zu überlaufen, Partys all night long, die Backpacker Metropole am Atitlán See. Wir empfinden es komplett anders. Die Straße direkt am Dock ist zwar nur auf Touristen ausgelegt – Restaurants, Cafés, Souvenir-Shops, kleine Schmuckstände am Straßenrand – doch nicht zu überlaufen, generell ist eher wenig los. Kämpft man sich den steilen Weg nach oben, wird der Ort von Minute zu Minute autenthischer. Viele Frauen und Kinder in traditionellen Kleidern, Männer, die mit ihren Sonnenhüten am Straßenrand im Schatten sitzen und das Treiben beobachten und bunte Obststände an den Hauseingängen.

Unser erster Weg führt zum Arzt. Ein paar Stunden später steht fest: Unser Souvenir der letzten Wochen – ein Parasit! So unangenehm die Vorstellung auch ist – endlich wissen wir was los ist. Irgendwie gehört sowas einfach dazu, zum Reisealltag. Komplett vermeiden lässt es sich sowieso nicht und alle Überlegungen wie „welches Essen/welche Küche war nicht sauber, mit welchem Wasser haben wir in den letzten Wochen Zähne geputzt, usw.“ – bringen am Ende doch nichts. Man wird es nicht rausfinden…Wir bekommen passende Medikamente und können dem Ganzen (hoffentlich) gezielt an den Kragen gehen.

Der See liegt in einem Krater, der bei einem Vulkanausbruch entstanden ist, umgeben von Bergen und Vulkanen. Bei Spagetthi Napoli (magenschonende Kost 🤷) auf einer Terrasse direkt am Wasser, könnte man fast denken, wir sind in Italien am Gardasee gelandet. Die umliegenden Orte am Lago de Atitlán sind über den See mit Taxi-Booten verbunden. Taxi-Boote gibt es in zwei Varianten: Entweder sind kaum Passagiere an Bord, dann fetzen die Boote mit Highspeed über den See, sodass es bei jedem Wellenhüpfer einen dumpfen Schlag auf den Rücken gibt. Alternativ dazu die langsame Variante, bei der das Boot wegen Überladung an Passagieren und Gepäck langsam über den See schleicht, um ein Überschwappen des Wassers über den Bootsrand zu vermeiden. Wir haben beides erlebt und können uns nicht entscheiden, welche Variante uns lieber ist 🙈. Ein sicheres Transportmittel ist das aus unserer Sicht auf jeden Fall nicht unbedingt.

Einen tollen Ausblick auf den See und den dahinter aufragenden Vulkan San Pedro haben wir von Santa Cruz. Hier ist noch kaum Tourismus eingezogen – ein indigenes Mayadorf. Vom Pier aus schlängelt sich die Straße ungefähr einen Kilometer steil bergauf, doch der schweißtreibende Aufstieg in der Mittagssonne lohnt sich!

Am Rande des Atitlán Sees ragt eine Felsformation auf, die mit ein bisschen Fantasie aussieht, wie ein liegendes Indianergesicht. Zum Sonnenaufgang nehmen wir uns die „Indian Nose“ vor. Schon um 3:00 Uhr klingelt unser Wecker – uff! Doch: wir wollten es so 🤷 Also rein in die Wanderklamotten und Aufstieg in der absoluten Dunkelheit über staubige, steile Pfade. Auf der kleinen Plattform angekommen sind wir überwältigt von dem mit tausenden Sternen besetzten Himmel. Bei kaltem Wind und heißem Kaffee, den unser Guide auf einem kleinen Feuer gekocht hat, warten wir, dass es langsam hell wird.

Mit jeder Minute, die verstreicht, kommen die Umrisse der sechs Vulkane, die man von hier oben sehen kann besser zum Vorschein. In weiter Ferne sieht man den Vulkan El Fuego im 10-Minutentakt Lava in die Luft spucken. Es ist unsere erste Bekanntschaft mit dem Vulkan – eine weitere in unmittelbarer Distanz zum Krater wird in den nächsten Tagen folgen. Und dann kommt der Moment, als die ersten Sonnenstrahlen über den Bergen zum Vorschein kommen – es ist einfach nur wunderschön!

San Marcos. Für unsere letzte Nacht am Lago Atitlán setzen wir mit dem Taxi-Boot über nach San Marcos. Es ist gemütlich hier. Ein alter Mann mit Dreadlocks begrüßt uns im engen Gang, der vom Pier in den Ort führt mit „Hey man! Welcome to paradise!“. Die meisten Menschen hier sind von einem besonderen Schlag. Viele Aussteiger, die hier seit Jahren „hängen geblieben“ sind. Gefühlt gehört man dazu, wenn man mindestens eine dieser Bedingungen erfüllt: Dreadlocks, Mandala Tattoo, Federn in den Haaren, Yogis, Gurus, Shamanen. Wir fühlen uns einerseits sehr wohl und doch irgendwie fehl am Platz. Der Ausblick von unserem Zimmer im Hostel ist jedoch unschlagbar – ein perfekter letzter Blick auf den See und San Pedro, bevor es für uns weitergeht nach Antigua Guatemala.

Dieser Beitrag hat 2 Kommentare

  1. Hallo, wir sind gerade auf der selben Route wie ihr unterwegs und finden deshalb euren Bericht besonders spannend.

    Heute sind wir in San Pedro gelandet. Wir haben bis jetzt auch nicht den Eindruck von einem lauten Party-Dorf.

    Eine Vulkan-Tour haben wir auch geplant, wir sind schon gespannt.

    Wir hoffen ihr habt eure Magenprobleme in den Griff bekommen 🙂

    Liebe Grüße, Stefan und Janine

    1. Hallo ihr beiden,

      schön hier von euch zu hören Genießt die Tage am See und lasst es euch gut gehn! Wie taugt euch Guatemala bisher? Der Acatenango wird euch sicher gut gefallen – wir sind gespannt was ihr hinterher berichtet

      Ganz liebe Grüße
      Theresa & Manuel

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