Ometepe und die südliche Pazifikküste von Nicaragua

Ometepe und die südliche Pazifikküste von Nicaragua

Nach einem Flug in der Propellermaschine aufs Festland und einer Busfahrt im Chickenbus warten wir auf die Fähre, die uns nach Ometepe bringen soll. Wir befinden uns mitten in der Semana Santa, der Osterwoche, in der viele Geschäfte geschlossen, der Busverkehr stark eingeschränkt und gefühlt ganz Zentralamerika urlaubstechnisch auf Achse ist. Genau das merken wir am Hafen und später auch auf der Fähre nach Ometepe. Das nächste Boot ist bereits ausgebucht, zwei Stunden später gibt es angeblich noch Plätze – ob das wirklich so ist oder ob sie gefühlt einfach doppelt so viele Tickets verkaufen wie eigentlich für die Fähre zugelassen, lassen wir mal so hingestellt. Das Schiff ist knallvoll, jeder noch freie Zentimeter wird irgendwie ausgenutzt, teilweise sitzen die Leute auf dem oberen Deck auf den Füßen von den dort stehenden Passagieren und lassen ihre Füße runterbaumeln, die wiederum den stehenden Leuten auf dem unteren Deck im Gesicht hängen. Wir haben Glück und können uns einen halbwegs guten Stehplatz in der Innenkabine sichern, direkt vor einem riesigen Fernseher, in dem auf voller Lautstärke irgendeine stark verpixelte zentralamerikanische Schnulzenserie läuft. Immerhin ist der Blick auf Ometepe schon genial. Nach 1,5 Stunden haben wir endlich wieder festen Boden unter den Füßen.

Die Insel besteht aus zwei Vulkanen, einem größeren und einem kleineren und liegt mitten in dem größten See Zentralamerikas, dem Nicaraguasee. Kommt euch irgendwie bekannt vor? Richtig, Lummerland! Spätestens seit dem ersten Blick auf Ometepe geht uns das Lied „Eine Insel mit zwei Bergen“ und die Geschichten von Lukas dem Lokomotivführer und seiner Emma durch den Kopf.

Unsere Tage auf Ometepe bestehen aus Radtouren auf zwei alten Drahteseln, die ihre besten Tage schon weit hinter sich haben. Während ich mit einem Achter im Hinterrad über die Straßen eiere, kämpft Manuel mit seiner Kette, die jedes Mal beim Bergabfahren runterspringt. Verschwitzt und durstig kommen wir bei Ojo de Agua an – Naturpools, die von einer unterirdischen Quelle gespeist werden, die ihren Ursprung im Vulkan Maderas hat. Der perfekte Ort für eine Abkühlung nach unserer Radltour.

Leider haben wir hier aber die Rechnung ohne „Semana Santa“ gemacht. Die ruhige Oase, die wir erwartet haben, ist es an dem Tag definitiv nicht. Wir sitzen inmitten von Einhorn- und Flamingo-Schwimmreifen, Eltern, die von außen Tauchringe auf den Grund werfen denen die Kinder begeistert hinterherjagen, typischen Instagram-Boyfriends, die den Hintern der Liebsten im knappen und knallroten Bikinihöschen im türkisblauen Wasser ablichten und ganzen Familien, die am Beckenrand begeistert in die Hände klatschen, wenn der Junior vom „3er“ springt. Die Abkühlung tut natürlich auch in Freibad Atmosphäre gut. Als wir gerade gehen wollen, entdecken wir etwas abseits von allem Trubel noch ein tolles Fleckchen etwas tiefer am Bachlauf und können nicht widerstehen, nochmal schnell reinzuspringen ins glasklare Wasser in Dschungelkulisse.

Die Strände am See sind voll, Großfamilien kommen mit Sack und Pack in Pick-Ups angefahren und haben gefühlt den halben Haushalt auf der Ladefläche – Stühle, Tische, Kochplatten, Pavillons, und allem, was man eben so braucht für einen Tag am Strand. Direkt auf der gegenüberliegenenden Straßenseite von unserer Unterkunft, startet die nächsten Tage eine Party mit lauter Musik, viel Alkohol und Wettbewerben wie Strandfußball, Volleyball, Drachensteigen und Co – es erinnert ein wenig an eine Lagerolympiade beim Zeltlager früher und sorgt für reichlich Gesprächstoff.

Ein Spaziergang führt uns zu El Pital, der Schokoladenfabrik der Insel. Der Ort ist komplett anders als erwartet. Von Schokoladenfabrik ist hier außer dem Highlight auf der Speisekarte – einer Zartbitter-Schokoladenkugel auf veganem Eis – nichts zu spüren. Vielmehr wirkt El Pital wie ein kleines Hippie-Dorf, mit Leuten in löchrigen Leoparden Leggings, Dreadlocks und bunten Steinen und Federn um den Hals, die sich entweder gediegen im Takt zu spiritueller Massage-Musik bewegen, oder im Schneidersitz auf der Wiese sitzen und sich auf den „Women-Circle“ vorbereiten, der hier immer Mittwochs stattfindet. Der Sonnenuntergang direkt am See mit Blick auf den größeren der beiden Vulkane – Concepcion – in Kombi mit der Spezialität des Hauses könnte gerade nicht schöner sein.

Popoyo. Unsere Anreise hierher gestaltet sich schwieriger als gedacht. Zwar ist die Fährfahrt im Vergleich zur Hinfahrt nach Ometepe extrem entspannt, allerdings erfahren wir am Fährhafen, dass heute am Gründonnerstag keine Busse fahren, weil alle Busfahrer auch Urlaub machen. Das alles erzählt uns allerdings ein Taxifahrer, der uns die Fahrt nach Popoyo für 35 USD schmackhaft machen will. Wir sind erstmal skeptisch, lassen ihn stehen und denken, dass er uns was vom Pferd erzählt, um seine Taxidienste an den Mann zu bringen. Doch: als wir am ausgestorbenen Busbahnhof von Rivas stehen wird schnell klar, dass er wohl doch nicht ganz falsch lag. Kurz darauf sitzen wir also wirklich in einem Taxi, dass uns für zu viel Geld an unser Ziel bringt.

Popoyo besteht aus einer staubigen und ruckeligen Sackgasse mit einem breiten Strand, hohen Wellen, einem kleinen Supermarkt, Unterkünften und ein paar wenigen Restaurants. Auch tituliert als das „Surferparadies an der Pazifikküste Nicaraguas“, in dem – im Vergleich zum Nachbarort und Party-Hotspot San Juan del Sur – von Tourismus nicht wirklich viel zu spüren ist. Ausnahme, wie so oft in den letzten Tagen: Semana Santa!

Wir bleiben bis Ostermontag, warten bis der ganze Trubel tatsächlich zum Ende kommt. Versuchen, uns schonmal eine grobe Route für Costa Rica zurecht zu legen, erledigen unsere „Büroarbeiten“, genießen die roten Sonnenuntergänge, treffen ein sympathisches Pärchen wieder, das wir auf Ometepe kennen gelernt haben, haben. Wir haben gute Gespräche, trinken zu viel Bier und essen die beste Pizza – Steinofen und richtig italienisch – bisher auf unserer Reise. (Wir haben in Sachen Pizza schon alles gesehen…ganz besondere Variante: Ein kalter Teigfladen wird belegt und dann so lange mit einem Bunsenbrenner bearbeitet, bis der Käse geschmolzen und die „Pizza“ halbwegs warm ist – und wir haben uns beim Blick in die Küche schon gefreut, dass sie scheinbar Creme Brulee auf der Karte haben).

Bevor es über die Grenze nach Costa Rica geht, legen wir noch einen kurzen Stopp in San Juan del Sur ein, um Einkäufe zu erledigen, denn die Preise in Costa Rica sind wohl ziemlich hoch – Sonnencreme, Mückenspray, Zahnpasta und Co wandern in unseren Einkaufskorb. Unser Highlight in San Juan: Es gibt eine deutsche Bäckerei, in der wir mit großen Augen vor den Brezeln stehen und uns über Lauge, Vollkornbrot und Apfelstrudel freuen.

Und dann neigt sich unsere Zeit in „Tuani Nica“ schon wieder dem Ende zu. Lange und intensiv haben wir recherchiert zur aktuellen Lage und der Sicherheit, bevor wir hier her kamen. Nachdem die Berichte anderer Reisender, die entweder gerade vor Ort waren oder in den letzten Wochen noch dort unterwegs waren, durchweg positiv waren und unser Gefühl ein gutes, haben wir uns schlussendlich dazu entschieden, uns ein eigenes Bild von dem Land zu machen, das im vergangenen Jahr von einer Krise getroffen wurde und es nicht (wie so viele andere Reisende) zu überspringen.

Wir waren am Ende über 4 Wochen hier unterwegs, hatten an keinem einzigen Tag ein ungutes oder unsicheres Gefühl, ganz im Gegenteil – wir durften ein wunderbares Land mit wunderbaren Menschen kennenlernen, die uns durchweg das Gefühl gaben, herzlich Willkommen zu sein. Die Landschaften sind spektakulär – über und unter Wasser und haben uns mehr als einmal staunen lassen und uns Gänsehautmomente gebracht.

Danke Nicaragua, es war schön mit dir! 💕

Schreibe einen Kommentar

Menü schließen