Neuseeland, Rotorua, Taupo, Tongariro

Neuseeland, Rotorua, Taupo, Tongariro

Eine Stadt, die nach Pups und faulen Eiern riecht

Eines meiner Lieblingsbücher als Kind war „Briefe von Felix“. Ein kleiner Hase auf Reisen, der von überall auf der Welt Briefe nach Hause schickt und von spannenden Völkern, Tieren und Kulturen berichtet. So ähnlich bekommt mein vierjähriger Neffe alle paar Tage eine Postkarte geschickt, in denen wir ihm von unseren Erlebnissen berichten.

Gerade sitzen wir in einem Park in Rotorua, einer Stadt, die bekannt für ihre geothermische Aktivität ist. Die Erdkruste ist dünner als an anderen Stellen der Erde. Überall dampft es aus Kanaldeckeln, blubbert es schlammig aus Erdlöchern, es riecht nach Schwefel. Wie erklärt man diesen Geruch einem Vierjährigen? Richtig: Die Stadt riecht nach Pups und faulen Eiern.

Aber der Reihe nach. Nach unserer ruhigen Silvesternacht ziehen wir also weiter nach Rotorua. Wir kommen um die Mittagszeit an, haben uns vorher einen Freedom-Campground rausgesucht (der einzige in der Stadt) und planen, erst einmal zu parken und einen Platz für die Nacht zu sichern, dann die Stadt zu erkunden. Leider sind schon alle Plätze belegt. Wir drehen eine kleine erfolglose Runde, um zu sehen, ob wir woanders noch ein Plätzchen finden können. Gerade, als wir wieder am Freedom Campground vorbei kommen, fährt ein anderer Camper aus der Ausfahrt und macht Platz. Juhu – lucky us. Wir lachen mal wieder über den Spruch, der auf dem Nachbar-Camper (eine Vermietung sticht jedes Mal heraus, mit grün lila Bussen und blöden Sprüchen) steht: „The glass is half full and the other half was delicious“ – ist was dran!

Unser Übernachtungsplatz liegt direkt an einem kleinen schlammigen Tümpel, aus dem es dampft, blubbert und schwefelig riecht. Das ist nur der Anfang. Wir beginnen unseren Streifzug durch Rotorua, die kochende Stadt.

Unser Spaziergang führt uns durch die kompakte Innenstadt, die nicht sonderlich schön ist und fast ein bisschen verlassen auf uns wirkt. Vereinzelt sehen wir ein paar merkwürdige Gestalten. Es scheint so, als würde hier das Crystal-Meth Problem sichtbar, das leider in einigen Teilen Neuseelands vorherrscht. So richtig wohl fühlen wir uns hier irgendwie nicht.

Wir landen im Kuirau Park, in dem sich mittlerweile über 40 kleinere und größere Schlamm- und Wasserlöcher gebildet haben, aus denen heißer Dampf aufsteigt. Im Park gibt es zwei Becken, die an Wassertretanlagen erinnern. Das Wasser ist allerdings warm, schwefelhaltig und ein Fußbad soll sehr gesund sein. Wir hängen unsere Füße rein. Es ist ein warmer Tag, ich würde mir gerade eher eine Wassertretanlage mit eiskaltem Wasser wünschen.

Leben in einem geothermalen Gebiet – Fluch und Segen

Unser nächster Stopp ist der Rotorua Lake, ein alter Vulkankrater, den Regengüsse und Grundwasser über Jahrtausende mit Wasser füllten. Wir schlendern an der hübschen Promenade entlang, kommen dabei am ältesten Stadtteil Rotoruas – Ohinemutu – vorbei. Ohinemutu ist ein Maori-Dorf, die Häuser wirken mit ihren Wellblechdächern einfach und spartanisch. Im Vergleich zur Innenstadt, fühlen wir uns hier fast in eine andere, frühere Zeit versetzt. Später recherchieren wir zu diesem Stadtteil und finden heraus, dass es in Ohinemutu verboten ist, sein Haus in irgendeiner Weise auszubauen. Die Erdkruste ist hier so dünn und der Boden beinahe bis zum Platzen mit Gasen gefüllt. Jede Grabung kann neue heiße Quellen zutage fördern und eine ungünstig gesetzte Mauer kann Folgen haben.

Im Zentrum von Ohinemutu finden wir viele hübsche Maori Schnitzereien an den Häusern, Türen und der hölzernen kleinen Kirche. Neben der Kirche fallen uns direkt die weißen Gräber auf, die dort wie Bauklötze auf der grünen Wiese liegen. Weil Grabungen fatale Folgen haben könnten, werden die Gräber hier überirdisch angelegt.

Die geothermale Aktivität hat für die Bewohner aber auch viele Vorteile. Hausbesitzer haben sich dieses Phänomen zu nutze gemacht und die Heizung, die Heißwasseraufbereitung oder den Küchenofen mit der kostengünstigen Thermal-Energie befeuert. Ein traditionelles Gericht der Maori ist unter anderem der „Hangi“, im Erdofen gegartes Fleisch und Gemüse.

Spannender Funfact: Vögel brüten hier in der Region nicht selbst, sondern legen ihre Eier auf besonders warme Bodenstellen. Ziemlich smart, oder?

Auch wir ziehen noch ein paar Vorteile aus dem Geothermal-Gebiet und lassen den Tag bei Wellnessprogramm in einem Spa, in dem es verschieden heiße Mineralbäder gibt, ausklingen.

Freizeitparkatmosphäre, ein Geysir-Ausbruch, Planänderung und ein Abstecher zu den Rainbow Mountains

Eine halbe Stunde südlich von Rotorua liegt Wai-O-Taupo, das Thermal Wonderland. Der Name ist Programm. Es handelt sich um eine große Fläche, auf der verschiedenste geothermale Naturspektakel zu sehen sind.

Als wir Erkundigungen dazu einholen, bekommen wir die Info, dass man unbedingt gleich morgens um 10:15 Uhr vor Ort sein sollte, denn dann bricht der Geysir ‚Lady Fort Knox‘ aus. Der Hammer, einen Geysir Ausbruch habe ich noch nirgends gesehen und will das auf keinen Fall verpassen. „Woher wissen sie, wann das Teil ausbricht? Wenn’s jeden Tag um die Zeit passiert, wird’s auch heute so sein… doch man weiß ja nie, ob es nicht ausgerechnet heute ein paar Minuten früher passiert“ – meine Worte zuvor! Jetzt kann ich über meine Naivität nur noch mit den Augen rollen und selbst lachen.

Wir starten extra pünktlich, um schon ein paar Minuten vorher anzukommen. Auf einer großen Wiesenfläche werden wir auch schon von einer Parkeinweiser-Lady empfangen. Von dort gehen wir noch ein paar Schritte zu Lady Fort Knox. Auf einer halbrunden stufigen Tribüne sitzen schon ein paar wenige Menschen. Vereinzelt haben sich Fotografen gut positioniert für den perfekten Blickwinkel auf den Geysir, der da direkt vor uns thront.

10:00 Uhr, es wird langsam voll hier.
10:15 Uhr, spätestens nachdem gerade noch zwei große Reisebusse angekommen sind, platzt die Tribüne aus allen Nähten.
10:17 Uhr, uff! Rücksichtslos schieben sich die Neuankömmlinge noch zwischen die schon stehenden Leute, was zu genervten Gemurmel und Aufruhr in der Menge sorgt.
10:19 Uhr, eine Frau mit einem Wai-O-Taupo Shirt klettert über die Holzabsperrung, steht neben dem Geysir, begrüßt die Menge und erklärt, wie dieses Naturwunder zustande kommt.
10:22 Uhr, sie holt eine kleine Pappkiste aus ihrem Korb, in der sich Soda Pulver befindet.
10:23 Uhr, unter den Zuschauern wird es jetzt plötzlich extrem unruhig, Kameras werden gezückt, es wird hin und her gerempelt und von allen Seiten geflucht, weil jeder die perfekte Sicht durch die Kameralinse will, was quasi unmöglich ist. Die Dame schüttet nun das Pulver oben in den Geysir und erzeugt somit einen künstlichen Ausbruch. Das hatte ich mir alles anders vorgestellt. Es erinnert doch schon stark an eine dieser Shows in Freizeitparks…
10:25 Uhr, mittlerweile hat die Fontäne eine Höhe von ca. 20 Metern erreicht, Kameras klicken und Zack-Zack – so schnell wie die Meute hier eingefallen ist, so schnell verlässt sie den Ort des Geschehens auch wieder. Es wird leerer, sobald die Fotos im Kasten sind. Wir stehen noch eine gute Viertel Stunde dort, schauen dem Spektakel (sowohl die Fontäne, als auch die Tribüne) zu. Ja, es ist spannend dieses Geysir Thema, und doch hätten wir uns diese Aktion auch getrost sparen können.

Wir kommen zurück zum Van und wollen eigentlich jetzt direkt den Rest des ‚Wonderlands‘ sehen. Bei dem Verkehrschaos, das hier gerade ausbricht (um vom Geysir Parkplatz zum offiziellen Wonderland Parkplatz zu kommen) und bei der Vorstellung, dass sich die ganze Masse gleich im Anschluss durch den Park schiebt, graut es uns ein wenig. Uff. Also, kurzfristige Planänderung. Wir verlassen das Gelände nochmal und fahren ein Stück zurück, wo ein Wanderweg ausgeschildert ist zu den ‚Rainbow Mountains‘ – hört sich ja ganz schön an.

Auf dem Parkplatz kochen wir erstmal Kaffee und Tee und frühstücken in aller Ruhe. Danach starten wir die kleine Wanderung. Wir passieren einen schönen Farndschungel, kommen an einem eisblauen Kratersee vorbei, machen an jeder Bank Halt und freuen uns über die Aussicht, die mit jeder Bank schöner wird. Weil der vulkanische Boden hier verschiedene Farben aufweist, hat man den Berg ‚rainbow mountain‘ genannt. Wer jetzt das Bild der peruanischen Rainbow Mountains im Kopf hat – nein, bei weitem nicht vergleichbar. Ab und zu gibt es ein paar rötliche, fast lehmartige Bodenstellen, das war’s aber auch schon.

Oben angekommen könnte der Blick kaum schöner sein. Viele kleine sattgrüne (Teletubbie) Hügel, dazwischen die Straße, die sich mit sanften Kurven zwischen den Hügeln entlang windet. Wunderschön.

Champagner-Pool, Hexenkessel und Blubberbäder

Als wir eine Weile später zurück zu Wai-O-Taupo kommen, hat sich auch dort die Lage wieder entspannt.

Verschiedene Spazier-Rundwege führen durch die groteske und unwirkliche Landschaft. Wir kommen uns hier so vor wie auf einer Zeitreise zurück in den Chemieunterricht: Schütte alles was blubbert und dampft in einen großen Topf, rühre dreimal um und plötzlich stehst du in Wai-O-Taupo in der geothermalen Zone von Neuseeland inmitten von rot-blauen, stinkenden, heiß dampfenden Pools, giftgrünen Seen und blubbernden Schlammlöchern.

Mein Highlight hier: der Champagner-Pool, der in rot und türkis leuchtet und mystischer Dampf aufsteigt. Über einen Steg läuft man direkt über das knapp 100 Grad heiße Wasser und steht so mitten im Dampf.

Total irre, was der pazifische Feuerring außer Vulkanen noch so an die Erdoberfläche bringt.

Gewaltige Wassermassen und faszinierte „ooooh’s“ und „aaaah’s“

Unser nächstes Ziel ist Taupo, eine kleine Stadt, direkt am Taupo-See. Wie so viele Seen in der Region entstand auch dieser durch eine frühere Naturkatastrophe. Nach einem massiven Vulkanausbruch vor vielen tausenden Jahren blieb ein großer Krater zurück, der sich nach und nach mit dem Wasser der umliegenden Flüsse füllte. Hieraus entstand der größte See Neuseelands mit über 600 Quadratkilometern.

Der Weg nach Taupo führt uns an den Huka Falls vorbei, einer der meist fotografierten Wasserfälle Neuseelands. Die Besonderheit ist hier gar nicht unbedingt die Höhe – er stürzt nämlich „nur“ 11 Meter in die Tiefe – vielmehr das Wasservolumen, dass sekündlich durch den engen Kanal peitscht.

Wir parken etwas abseits und machen einen kleinen Spaziergang über einen schmalen Waldpfad zum Aussichtspunkt. Schon als wir näher kommen, hören wir die Wassermassen rauschen. Zwischendurch lichtet sich der Wald immer wieder und gibt Blicke frei auf das blitzblaue Wasser.

Nach einer knappen halben Stunde kommen wir an der Plattform an und an der Brücke, die über den wilden Fluss führt. Über 220.000 Liter Wasser werden pro Sekunde den Wasserfall hinabgespült. Wir stehen auf der Brücke, schauen staunend und auch ein bisschen ehrfürchtig nach unten. Die Gewalt des Wassers wird hier wild und laut tosend und rauschend sichtbar. Wahnsinn!

Ein paar hundert Meter flussabwärts des Waikato Rivers stehen wir später an den Aratiatia-Rapids. Eine Schleuse, die dreimal täglich geöffnet wird. Als wir ankommen, sind Tore noch offen, ein lautes Piepsen signalisiert schon, dass es gleich los geht. Wir spurten zur nächstgelegenen Aussichtsplattform und haben besten Blick auf das trockene und steinige Flussbett. Nach dem dritten akustischen Warnsignal öffnen sich die Schleusen langsam. Mit den ersten Wassermassen kommen auch die ersten „ooooh’s“ und „aaaah’s“ zwischen den Zuschauern. Pro Sekunde schießen 90.000 Liter Wasser durch die Tore. Innerhalb von zehn Minuten verwandelt sich das steinige und trockene Flussbett in einen reißenden Fluss. Funfact: Für die spektakuläre Flucht der Zwerge wurden hier Filmaufnahmen für den Film „Der Hobbit“ gedreht. Einige Tage hintereinander wurden mit jeder Schleusenöffnung leere Holzfässer durch die Schleusen gejagt und aus verschiedenen Perspektiven aufgenommen.

Pizza mit Aussicht und eine staubige Angelegenheit

Wir schlendern durch den kleinen gemütlichen Ort, beschließen kurzerhand, dass heute nicht selbst gekocht wird und bestellen uns stattdessen eine Pizza zum Mitnehmen. Auf einer Wiese am Seeufer machen wir es uns gemütlich, schlagen uns den Bauch voll und genießen die wärmenden Sonnenstrahlen. Am gegenüberliegenden Seeufer ragt der Vulkan Tongariro mit seiner schneebedeckten Spitze auf – Pizza with a view. Und weil’s so schön ist, gibt es jetzt auch noch ein Eis, bevor wir aufbrechen zum Campground.

Unser Platz, den wir uns für die Nacht rausgesucht haben liegt ganz herrlich, direkt am Wasser. Kurzentschlossen verwandeln wir den Platz in einen Friseursalon. Während wir nett mit dem Nachbar schnacken, bekommt Manuel eine frische Kopfrasur. Mit einem Bier machen wir es uns gemütlich, beschließen, nochmal schnell ins Wasser zu springen, als es plötzlich extrem zu stürmen und winden beginnt. Alle paar Minuten halten wir uns die Arme vor die Augen, weil wieder ein Windstoß über den Platz fegt und den Staub und Sand aufwirbelt. Die Idee mit der kleinen Schwimm-Session werfen wir auch über Bord, nachdem wir bis zu den Knien im eiskalten Wasser stehen und die vom Wind getriebenen Wellen mit Wucht größere Stöcke und Treibholz anspülen.

Schon früh am Abend ziehen wir uns in unserem Van zurück, zu kalt und ungemütlich ist der Wind draußen, zu wild der Staub, der schon nach einer Stunde in allen Gesichtsöffnungen hängt. Nach einem grandiosen Sonnenuntergang sitzen wir also in unserem vom Wind schaukelnden Van, kuscheln uns ein und machen es uns bei unserer aktuellen Netflix Serie gemütlich. Gute Nacht Taupo.

Nach ein paar Tagen am See sind sowohl wir selbst, als auch unser Van einmal rundum verstaubt. Ein paar Kunstwerke, die wir morgens mit unserem Finger gemalt haben, zieren nun unsere Scheiben, als wir ein paar Tage später aufbrechen zu unserem nächsten Ziel.

Schlechte Nachrichten zum Tongariro Alpine Crossing, eine schöne Alternative und eine eisige Nacht

Das Tongariro Alpine Crossing zählt zu den bekanntesten, beliebtesten und spektakulärsten Wanderungen Neuseelands und auch weltweit. Knapp 20 Kilometer zieht sich der Weg durch eine Vulkanlandschaft, mit Ausblicken über verschiedene Vulkankrater und knallig-blau-grüne Seen.

Bevor wir ein paar Tage später weiterziehen nach Whakapapa, dem Ausgangsort des Alpine Crossings, machen wir einen kurzen Abstecher zum Touristen-Infocenter in Taupo, um erste Erkundigungen einzuholen und unsere Tour zu organisieren. Weil der Weg keine Rundtour ist, muss man vorher einen Shuttle buchen, der einen zum Startpunkt bringt und später am Ziel wieder abholt. Die Dame hinter dem Tresen presst die Lippen aufeinander, zieht die Schultern hoch, schaut uns etwas mitleidig an und schüttelt den Kopf. Wegen der schlechten Wettervorhersage – Kälte (-10°) und starke Winden (bis zu 100 km/h) – wird vom Alpine Crossing abgeraten und alle Shuttles für den Folgetag sind abgesagt.

Trotzdem fahren wir in die Richtung von Whakapapa, wollen abwarten, wie die Lage am nächsten Tag ist. Wir fahren bei warmer Luft und Sonnenschein los und kommen in kurzen Hosen und T-Shirt dort an, lachen noch laut über die Leute, die alle in Funktionskleidung und dicken Winterjacken durch den Ort spazieren. Ein paar Minuten später frieren wir natürlich selbst, nachdem wir mal ausgestiegen sind. Als auch wir passend angezogen sind, stehen wir, wie so oft in den letzten Tagen wieder in einem Touristen-Informations-Center. Doch leider auch heute: rotes Licht und ein trauriges Kopfschütteln. Kurzentschlossen entscheiden wir uns für eine Alternative Tour im Nationalpark.

Der junge Mann in der Touristen-Info, mit dem wir nochmal über Alternativen und unsere Pläne sprechen, beugt sich über seinen Tresen, mustert uns einmal von oben bis unten, murmelt etwas von „passende Schuhe, warme Jacke, Regenjacke, Mütze“ und nickt unsere Wanderoutfits ab. Es kann losgehen – der Tama-Lakes-Walk, 17 Kilometer und gute fünf Stunden liegen vor uns.

Wir starten durch einen moosigen Wald, entlang eines hübschen Bachlaufs, über Wurzeln und weichen Waldboden. Über die Baumgrenze hinaus, an den rauschenden Taranaki-Falls vorbei, durch eine Mischung aus grotesker Mondlandschaft und grün-braunen Tussock Gräsern. Immer vor uns: die schneebedeckten Vulkanspitzen des Tongariro, die zwischen den Wolken durchspitzen und die Rückseite, des Ngauruhoe (auch bekannt als ‚Schicksalsberg‘ aus Herr der Ringe).

Als wir über der Baumgrenze und dem Wald hinaus sind, ändert sich das Wetter innerhalb kürzester Zeit immer wieder. Innerhalb von 10 Minuten erleben wir eine breite Palette an Wettern: eiskalter Wind, peitschender Regen und plötzlich wieder blauer Himmel und Sonnenschein. Jacke an, Jacke aus, Regenjacke dazu, wieder aus, Stirnband rauf, Stirnband runter. Gerade, als wir das letzte Tal erreichen, das wir durchqueren müssen, um zum ersten der beiden Tama-Seen zu kommen, beginnt es wie aus Eimern zu schütten. Zwei Frauen stehen unschlüssig im Windschatten eines kleinen Hügels, fragen uns, ob wir weitergehen oder umdrehen. Wir sind uns unsicher. Die Kombination aus kaltem Wind und heftigem Regen lässt uns innerhalb von kürzester Zeit bibbern. Eins ist klar: Stehenbleiben ist gerade keine Option, es wird nur noch kälter. Gerade kommen zwei Wanderer zurück, die uns sagen, dass es noch ca. 30 Minuten zum ersten See sind. Wir entscheiden, zu viert weiterzugehen.

Jenny und Katie, Mutter und Tochter, Australierinnen mit deutschen Wurzeln, sind nun unsere Wegbegleiter auf den letzten Metern beim Auftstieg und auch auf dem Rückweg. Während Jenny, die Mutter ein ganz gutes Deutsch spricht und sich freut, es mal wieder anwenden zu können, spricht Katie, die Tochter nur einzelne Brocken. Der running Gag während unserer Wanderung wird „ja, genau!“, was Katie immer dann einwirft, wenn sie nichts mehr versteht und als ihren Joker zieht. Denn wenn ihr die Mutter was beigebracht hat, dann, dass ein „ja, genau!“ im Deutschen quasi immer passt. Wir unterhalten uns gut, haben viel Spaß und brechen immer wieder in Gelächter aus. Mit dem Versuch, möglichst bei geschlossenem Mund zu lachen, bevor gefühlt die Zähne wegfrieren.

Weil wir keine Lust mehr haben, nach unserer Wanderung noch länger zu fahren, haben wir uns im ‚Holiday Park‘ direkt im Ort eingebucht. Holiday Parks sind in der Regel etwas teurere Campingplätze, mit besserer Ausstattung, die wir sonst eher vermeiden. Heute freuen wir uns dafür doppelt darüber. Eine warme Dusche ohne Zeitlimit (Jackpot! Ich könnt laut „Hurra“ kreischen), ein Föhn, eine beheizte Gemeinschaftsküche, Waschmaschinen und Steckdosen, um mal wieder alle Geräte zu laden.

Hundemüde und mit Wärmflaschen an den Füßen liegen wir heute schon früh im Bett. Es ist kalt. Saukalt! Drei Grad. Der nächtliche Gang zur Toilette kostet Überwindung. Und weil ich danach so durchgefroren bin, gibt es mitten in der Nacht nochmal eine zweite Runde Wärmflaschen.

Beim Video-Telefonat am nächsten Tag rufen mir zwei meiner Tanten gleichzeitig entgegen: „Aber es ist doch Sommer!“ Ja, Sommer in Neuseeland! Wenn du dich abends über die Wärmflasche im Bett freust.

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