Welcome to Little Corn! It’s the paradise you know?!

Welcome to Little Corn! It’s the paradise you know?!

Unser nächster Stopp sollen die Corn Islands sein. Nach längeren Recherchen entscheiden wir uns gegen die Kombi aus 12 stündiger Bus- und 8 stündiger Bootsfahrt, die teilweise wohl ziemlich grenzwertig sein soll, was Wellengang und Sicherheit betrifft und buchen stattdessen kurzerhand telefonisch einen Flug für den nächsten Tag mit Open Return Ticket.

Wir starten früh morgens mit dem Chickenbus nach Managua, steigen am Busbahnhof dort in ein Taxi Richtung Flughafen um. Am Mini-Terminal für Inlandsflüge angekommen geht alles ziemlich schnell. Innerhalb von 15 Minuten sind wir eingecheckt, haben unser Gepäck abgeben, einen Dollar Flughafengebühr bezahlt, sind durch die Sicherheitskontrolle und warten aufs Boarding. Wir kommen uns fast so vor, als wären wir am Busbahnhof gelandet und warten auf den nächsten Chickenbus: Ein Huhn in einem braunen Pappkarton gehört wohl auch zu den Passagieren.

Nach zwei Stunden Wartezeit (der Deutsche an sich ist natürlich pünktlich zwei Stunden vor Abflug am Flughafen – hätten wir gewusst, dass alles so schnell geht, hätten wir uns auch etwas mehr Zeit lassen können) geht es endlich weiter. Mit dem lustigsten Boardingpass, den wir bisher hatten – eine postkartengroße einlaminierte Karte mit dem Logo der Airline und fortlaufender Nummerierung – betreten wir die kleine Propellermaschine. Freie Platzwahl! Der Flug ist relativ ruhig, nach einer ungefähr 10 minütigen Zwischenlandung in Bluefields, um ein paar Passagiere ab- und andere aufzuladen, geht es direkt weiter nach Big Corn Island. Schon während des Landeanflugs sieht die Insel und die Blautöne des Wassers spektakulär aus.

Für eine Nacht quartieren wir uns auf Big Corn Island ein, stecken unsere Füße in den karibischen Sand, genießen den Sonnenuntergang und leckere Spagetthi Napoli von unserer italienischen Gastgeberin. Gleich in der Früh geht’s für uns weiter zum Ableger der Pangas (die kleinen Taxi-Boote, die die beiden Inseln miteinander verbinden). Wir haben vorher gelesen, dass die Überfahrt ziemlich nass werden kann und die Leute hinterher teilweise triefende Rucksäcke auf dem Rücken hatten. Safety First: Während wir am „Hafen“ also unser Gepäck vorsichtshalber wasserdicht in schwarzen Müllsäcken verpacken, setzt sich ein Mann – Typ: Pirat ohne Boot – zu Manuel. Erzählt vom Inselleben, seinem Lieblings-Fischgericht, was typisch für die Corn Islands ist und bringt uns ein paar Worte auf Kreol, der Hauptsprache der beiden Inseln bei. Nach 20 Minuten fragt er dann zaghaft, ob er uns später helfen darf, unser Gepäck zum Boot zu tragen – vielleicht könnten wir ihm dafür ja ein paar Cent geben, dass er sich etwas zum Essen kaufen kann. Die Überfahrt bleibt erstaunlich trocken, ein paar Mal schlägt der Bug hart auf die Wellen auf, doch nass werden wir nicht.

Als wir ankommen, steht der Pier auf Little Corn voll von winkenden Menschen, die alle behilflich sein wollen mit Aussteigen, Gepäck-Transport, uns direkt überhäufen mit Angeboten für Unterkünfte oder Schnorcheltouren. Bevor wir uns auf den Weg zu unserer ersten Unterkunft machen, wollen wir im Dorf noch frühstücken. Auf der Suche nach einem schönen Café werden wir von einem Inselbewohner mit den Worten „Welcome to Little Corn! It’s the paradise you know!“ begrüßt. Wir fühlen uns auf Anhieb willkommen und wohl, freuen uns schon sehr auf die Zeit hier.

Weil es auf der gesamten Insel keine Autos oder Roller gibt, nur Fahrräder oder Schubkarren zum Transport, wandern wir mit unserem Gepäck in der Hitze, über Stock und Stein durch den Dschungel, der unsere Unterkunft an der Nordspitze der Insel vom Rest der „Zivilisation“ trennt. Unsere Bleibe für die nächsten Tage ist ein waschechtes Baumhaus, inklusive Open-Air Badezimmer mit Meerblick (zumindest beim Duschen oder auch dann, wenn man Stehpinkler ist) und eine Küche, in der man vor dem Gemüse schneiden erstmal Feuerholz sammeln muss. Direkt nebenan wachsen Palmen, Avocadobäume, Ananassträucher, Mangobäume und sonstige Leckereien, die nächste Möglichkeit um etwas einzukaufen ist dafür 30 Minuten Dschungelfußweg entfernt. Außenrum: ein wunderschöner Strand mit Schaukeln, Hängematten und Palmenwald.

Sobald die Sonne untergegangen ist, wird es stockdunkel auf der gesamten Anlage. Es gibt zwar ein paar Lampen auf Solar-Basis, doch die brennen nur, wenn unbedingt nötig. Das einzig übrige Licht ist das flackernde Kerzenlicht und ab und zu ein Stirnlampenkegel, der sich übers Gelände bewegt. Dafür gibt es am Abend Sternenhimmel und tanzende Glühwürmchen inklusive.

Es gibt weder Strom, noch Internet – so sind wir „gezwungen“ zu drei Tagen „Handy-Detox“. Wahnsinn, wie schnell sich unser Rhythmus umstellt während wir dort sind – spätestens um halb neun Uhr liegen wir abends im Bett und schlafen mit Dschungel-Geräuschen und Meeresrauschen ein. Zwischen fünf und sechs Uhr bei Sonnenaufgang und dem ersten Kikeriki stehen wir wieder auf.

Die Kombi aus all dem tut richtig gut für ein paar Tage, lenkt die Aufmerksamkeit ganz automatisch auf andere Dinge und macht uns bewusst, wie wenig man eigentlich braucht, um zufrieden zu sein.

Auch wenn es laut so vielen Reiseführern und -berichten „nicht wirklich was zu tun gibt“ auf der Insel, sind unsere Tage dort intensiv. Wir spazieren über die schmalen Inselwege und haben tolle Begegnungen – gefühlt kennt man nach guten zwei Tagen schon die halbe Insel, weiß genau, wer die günstigsten Getränke verkauft, wer das beste Bananenbrot bäckt, welche Seife von der Seifenverkäuferin am besten riecht und wer die leckersten Pattis zubereiten kann. Pattis sind eine Inselspezialität: kleine Teigtaschen, gefüllt mit einer Fleischmasse, in der süßen Variante mit Kochbananen – erinnert uns ein bisschen an Apfeltaschen, nur hundert Mal besser. Wenn wir dem Patti-Verkäufer „unseres Vertrauens“ mit seiner großen Tupperbox auf der Insel begegnen, ist es jedes Mal ein Fest – am allergrößten ist die Freude, wenn die Tupperbox von innen ein bisschen angeschlagen ist, dann sind die Patties ganz frisch und noch warm.

Während Manuel sich an einem Nachmittag nicht von seinem Fitzek losreißen kann, mache ich mich auf den Weg zum „Reading Room“ der Insel. Schon beim Ankommen habe ich am Schwarzen Brett der Insel einen handgeschriebenen Aushang gesehen „Do you have some time to volunteer and spend time with the children?“ – das lasse ich mir nicht zweimal sagen. Ab 14 Uhr öffnet der Reading Room laut Aushang seine Türen, ich mache mich rechtzeitig auf den Weg, als ich am Pier und dem Aushang vorbei komme, frage ich die Leute, die direkt davor stehen, ob sie wissen, ob es diese Aktion noch gibt – der Zettel sieht zugegebenermaßen schon etwas älter aus. Leider verneinen sie und ich bin schon fast etwas traurig. Trotzdem gehe ich weiter in die Richtung, denke, dann laufe ich eben eine Runde und wieder zurück zu unserer Unterkunft. Als ich am Reading Room vorbeikomme, sieht der alles andere als verlassen aus – die Fenster sind gekippt, innen läuft ein Ventilator. Ich frage die Nachbarin, die gerade im Garten am Waschbrett Handtücher wäscht. Natürlich gibt es die Aktion noch sagt sie, jeden Tag ab 14 Uhr – ob ich Wendy schon kenne, sie kümmert sich darum und ich soll am besten einfach zu ihrem Haus laufen und ihr Bescheid geben, dass ich helfen will. Wendy kenne ich natürlich noch nicht, sie erklärt mir kurz den Weg dahin, ich soll einfach nach ihr fragen – man kennt sich hier schließlich und jeder weiß, wo sie wohnt. Es dauert keine fünf Minuten, da sitze ich zusammen mit Wendy auf ihrer Terrasse und kenne die halbe Familie. Auf unserem Weg zum Reading Room und vor dem Eintreffen der ersten Kinder, haben wir ein tolles Gespräch – Wendy erzählt mir ihre Lebensgeschichte und versorgt mich mit vielen spannenden Fakten zum Inselleben.

Sie ist selbst hier aufgewachsen ist und wurde nur bis zur vierten Klasse unterrichtet, irgendwann hatte sie das Bedürfnis, den Inselkindern mehr Möglichkeiten zu geben in Sachen Lesen und Schreiben. Mit staatlicher Unterstützung hat sie den „Reading Room“ mit einer kleinen Bibliothek für Kinder aufgebaut. Mittlerweile morgens als Kindergarten umfunktioniert, am Nachmittag dann als Treffpunkt für alle Kinder: Hausaufgabenbetreuung, Schreibübungen, Lesestunde und gemeinsames Rumtollen.

Pünktlich um 14 Uhr trudeln die ersten Kinder ein, sind sofort ganz interessiert an mir – die ersten Mädchen, die ankommen wollen Schreibübungen mit mir machen – wir sitzen zu viert auf der Veranda, die drei, die jeweils mit einer „Zaubertafel“ ausgestattet sind, schauen mich erwartungsvoll mit großen Augen an. Sie erklären mir, dass ich jetzt 20 Wörter diktieren muss und später dann kontrollieren soll – achja, und Hanna hätte gerne spanische Wörter, die anderen beiden auf Englisch. Zum Glück ist mein Spanisch mittlerweile so hervorragend, dass ich jetzt schon selbst als „Lehrerin“ einspringen kann 😂

Nach einer halben Stunde entscheidet Wendy, dass es scheinbar ganz gut läuft mit mir und verkündet, dass sie zu einem Meeting muss – drückt mir den Schlüssel in die Hand, sagt, ich soll später abschließen und ihr den Schlüssel einfach nach Hause bringen, wenn ich fertig bin. Mittlerweile sind ungefähr 15 Kinder da, wir spielen, schauen Bücher an, ich lese gefühlt 10 Mal die Geschichte vom Regenbogenfisch vor – scheinbar der Alltime Favorite. In der letzten halben Stunde läuft alles ein bisschen aus dem Ruder in Sachen Rumtollen, dass ich fast ein bisschen erleichtert bin, dass alle Kinder ohne Platzwunde oder Verletzung nach Hause gehen, als ich den Raum absperre. Es war ein wunderbares Erlebnis, die Kinder sind so dankbar für ein bisschen Zeit und Aufmerksamkeit, fragen beim Tschüss sagen gleich „Kommst du morgen wieder?“ und winken mir in den nächsten Tagen fröhlich zu, wenn sie mich irgendwo sehen.

Ansonsten sind unsere Tage gefüllt von Lesen, Schnorcheltouren, Spaziergängen über die Insel und Mundharmonika Übungsstunden.

Manuel hat seinen Tauchschein schon vor einigen Jahren gemacht und schwärmt mir regelmäßig vor, wie viel Spaß das macht. Das Tauch-Thema ist in meiner Vorstellung schon immer mit großem Respekt und solchen Fragen wie „Wie ist das mit dem Ohrendruck? Gerät man da nicht schnell in Panik, so tief unter Wasser? Und und und…“ verbunden.

Nachdem die Unterwasserwelt um die Corn Islands besonders schön sein soll, und die Tauchschule auch einen Schnupper-Tauchgang anbietet, überwinde ich mich und melde mich an. Nach ein paar Sicherheitsthemen und Übungen im flachen Wasser am Strand, geht’s also tatsächlich auf 9 Meter Tiefe – fühlt sich das verrückt an einfach ganz normal weiter zu atmen unter Wasser. 40 Minuten später sitze ich völlig euphorisiert wieder auf dem Boot zurück nach Little Corn. Fest steht: ich will unbedingt meinen Tauchschein machen, alle vorherigen Sorgen waren unbegründet. Leider macht mein linkes Ohr nach dem ersten Tauchgang etwas Probleme, was sich relativ schnell wieder legt. Ich will es mindestens probieren, in der Hoffnung, dass meine Ohren mitspielen. Ein paar Tage später sitze ich also in der Tauchschule, schaue Lehrvideos aus den 90ern, lerne, wie man eine Taucherausrüstung aufsattelt, büffele Theorie, lasse mich abends von Manuel abfragen, absolviere verschiedene Prüfungen im Wasser und auf dem Papier und habe vier weiter Tauchgänge (diesmal ohne Ohrenprobleme) auf bis zu 18 Metern Tiefe in die bunte Unterwasserwelt, treffe viele Meeresbewohner, unter anderem ein Riffhai, der uns während eines gesamten Tauchgang begleitet. Es ist genial.

Nach 12 Tagen heißt es für uns „Goodbye Little Corn“. Am Ende waren wir länger hier als ursprünglich gedacht, doch die Insel ist einfach wunderbar und die Bewohner an Herzlichkeit kaum zu übertreffen.

Dieser Beitrag hat einen Kommentar

  1. Ihr seid der Wahnsinn, und Du schreibst so toll…………. weiter so

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