Die Karibikküste Kolumbiens

Die Karibikküste Kolumbiens

Bei strömendem Regen landen wir in Cartagena de Indias. Hallo Südamerika, hier sind wir! Und Sonne, wo bist du?

Statt einem Taxi hätten wir wohl besser ein Boot ins Stadtzentrum genommen. Die Straßen sind komplett geflutet, sodass die Autos teilweise bis Mitte des Vorderlichtes im Wasser stehen. Ein Radfahrer, der sowieso schon gebadet ist, bekommt von unserem Taxifahrer auch noch die volle Breitseite ab, als wir durch eine riesen Pfütze fahren. Uff!

Kaum an unserer Unterkunft angekommen (mit den Füßen bis zum Knöchel im Wasser versteht sich), hört es auf zu regnen und die Sonne lässt sich zwischen den dicken grauen Wolken ab und zu mal kurz blicken. Das lädt auf einen ersten Spaziergang durch Getsmani ein, das Viertel, das lange unbeachtet blieb, in dem alles und jeder zusammen kommt – Einheimische und Touristen, arm oder reich – es werden keine Unterschiede gemacht und irgendwie fühlt man sich sofort willkommen. Getsmani entwickelt sich innerhalb der nächsten Tage zu unserem Lieblingsviertel der Stadt. Schmale Gassen mit Kopfsteinpflaster, Wimpelketten in den Farben der kolumbianischen Flagge oder Regenschirmen zwischen den Häuserfassaden, Der Duft von frisch gebackenen Arepas, der aus der Arepa-Bäckerei strömt, tollen Graffitis an den Hauswänden. Egal wohin man schaut – Der Stadtteil wirkt wie eine quietschbunte Freiluft-Kunstausstellung.

Wir essen unsere ersten Arepas (kleine Maisfladen, die hier entweder gefüllt werden, oder ohne Füllung fast zu jeder Mahlzeit als Beilage serviert werden) und landen am Ende der Straße an einem kleinen Platz vor einer Kirche, an dem lateinamerikanische Musik aus einem kratzigen Lautsprecher dröhnt, Menschen in bunten Kleidern, die ausgelassen tanzen. Zwei ältere Männer sitzen bei einem Spiel an einem steinernen Schachbrett, drumherum stehen weitere Männer, beäugen das Spiel kritisch und kommentieren jeden Spielzug. Ganz genauso habe ich mir Südamerika vorgestellt – in dem Moment tanzt mein Herz.

Und genauso tanzt es ein paar Tage später, als ich am Flughafen stehe und warte, dass Linda durch die Tür „Arrivals“ kommt. Unser erster „Mitreise-Besuch“ aus der Heimat hat sich angekündigt 🙂

Die Empfehlung des Lonely Planet für Cartagena: Am besten gar nichts vornehmen, sondern sich einfach durch die hübsche Altstadt treiben lassen. Und genau das machen wir die nächsten Tage, freuen uns über die bunten Häuser und hübschen Graffitis und die lebensfrohen Menschen, die mit ihren Wägen voll von dicken Avocados oder Lulos über das Kopfsteinpflaster rumpeln.

So schön die Altstadt mit ihren hölzernen Balkonen und verwinkelten Gassen ist, so unspektakulär ist das neue und moderne Cartagena mit seinen verspiegelten Hochhäusern und einem Strand, der mit Liegen- und Sonnenschirm-Reihen und aufdringlichen Verkäufern fast an einen belebten Mallorca-Strand erinnert.

Am Plaza de los Coches tummeln sich die Tagestouristen der Kreuzfahrtschiffe zwischen lebenden Statuen, die reglos mit goldenem Gesicht in der schwülen Karibiksonne stehen und Verkäuferinnen in bunten Kleidern, die ihr Obst in silbernen Schalen auf dem Kopf tragen und auf ein bisschen Kleingeld hoffen, wenn ein Tourist die Kamera zückt. Unter den Torbögen werden Süßigkeiten aller Art verkauft und locken Schleckermäuler aus aller Welt. Früher war dieser Platz bekannt als der größte Sklavenmarkt Südamerikas. Die Sklaven wurden hier versteigert und in die USA gebracht. Heute ist davon kein Hauch mehr zu spüren. Während wir so bewusst darüber nachdenken, was hier früher stattgefunden hat, gibt es uns doch irgendwie ein komisches Gefühl.

Obwohl Cartagena eine der touristischsten Orte in Kolumbien ist, müssen wir dem kolumbianischen Schriftsteller Gabriel García Márquez recht geben: “Ein Spaziergang durch die Straßen von Cartagena bei sanftem Abendlicht reicht aus, mich wie neugeboren zu fühlen.“ Kurz: Es ist einfach schön!

Nach einigen Tagen in der Stadt geht es für uns weiter, entlang der Karibikküste – mit tollem Ausblick auf türkisblaues Wasser auf der einen und weniger tollem Ausblick auf Müllberge auf der anderen Seite. Unser Ziel: Santa Marta, die älteste Stadt Südamerikas.

Santa Marta ist für uns die perfekte Ausgangslage für den Tayrona Nationalpark, auf den die Kolumbianer (zu Recht) besonders stolz sind. Er ist eines der beliebtesten Reiseziele der Einheimischen selbst, und zählt laut diesen zu den schönsten Orten der Welt. Um die Weihnachtsfeiertage ist der Park wohl ziemlich überlaufen, bevor jedes Jahr für ein paar Wochen die Pforten geschlossen werden, um der Natur und den indigenen Völkern, die dort in Abgeschiedenheit leben etwas Ruhe und Erholung zu gönnen.

Als wir am wuseligen Busbahnhof in Santa Marta ankommen, heißt es, erst einmal den richtigen Bus finden. Nachdem sich einer der Busschreier uns annimmt und ganz richtig erkennt, dass die Gringos vermutlich zum Nationalpark wollen, landen wir in einem Bus, in dem stickig-schwüle Luft steht und können glücklicherweise die letzten drei Sitzplätze ergattern. Eingequetscht sitze ich zwischen einem Kolumbianer und einem Argentinier in der letzten Reihe, merke, wie mir die Schweißtropfen langsam übers Gesicht kriechen und komme mir vor wie ein Kind auf der Rückbank, das am liebsten minütlich fragt „Wann sind wir endlich da?“. Juhu, der Bus rollt nach 20 Minuten doch mal los – ich unterhalte mich gut mit meinen beiden Sitznachbarn über Gepflogenheiten, Gemeinsamkeiten und Unterschiede in Zentralamerika und Europa und der Fahrtwind tut sein übriges, um die Busfahrt erträglicher zu machen.

Am Ziel angekommen, haben wir kaum den ersten Fuß auf die Straße gesetzt, als uns schon ein junger Mann empfängt und uns irgendwas von Versicherungen ins Ohr brüllt. „Wir brauchen keine Versicherung“, versichern wir ihm und mogeln uns vorbei an allen anderen Versicherungsverkäufern, direkt an den Eingang des Parks. Die Dame an der Kasse beschließt kurzerhand, dass heute schon Hauptsaison ist, auch wenn andere Aussagen vorher waren, das dauere noch ein paar Wochen. Zusätzlich verkauft sie uns dann doch noch eine Versicherung, denn die sei „mandatory“ – warum und weshalb kann uns zwar keiner erklären, immerhin zahlen wir am Kassenhäuschen einen niedrigeren Preis. Am Eintrittsschalter und dem großen Holzschild mit der Aufschrift „Dieser Park gehört allen Kolumbianern. Allen die bereits verstorben sind und all denen die am Leben sind. Die meisten sind noch nicht geboren worden“ vorbei, sitzen wir auch schon im nächsten Bus, der uns die 4 Kilometer zum Start der Wanderroute bringt. Endlich! Wir wandern über Stock und Stein, durch Dschungel und hunderte Treppenstufen hinauf (von einem einheitlichen Stufen-Maß hat hier auch noch keiner was gehört) und freuen uns über den ersten tollen Ausblick über die Buchten und das karibische Meer. Hier pausieren wir fast eine halbe Stunde und legen einen ausgedehnten „Foto-Stopp“ hin (nicht das erste mal in den nächsten Tagen, dass Manuel die Augen verdreht, während Linda und ich uns durch die Bilder auf dem kleinen Display der Kamera klicken und ein begeistertes „Ja ist ganz schön geworden…und jetzt das Ganze nochmal ohne Falten in meinem Shirt“ von uns lassen) und haben ein nettes Gespräch mit dem Wasserverkäufer, der gemütlich vor seiner Styropor-Truhe in der Hängematte schaukelt. Endlich geht es wieder bergab, was heißt, dass die Wellen rufen und die Vorfreude auf eine Abkühlung steigt.

Als wir endlich am ersten Strand ankommen, begrüßt uns dort ein großes Warnschild vor einem Holzzaun: „Hier sind schon über 100 Menschen ertrunken! Werde nicht Teil dieser Statistiken!“. Also weiter ohne Erfrischung – zu stark ist die Strömung. Der nächste Streckenabschnitt: Sand und knallheiße Mittagssonne. Uff! Die Freude ist nach der Anstrengung der letzten Meter dafür doppelt groß und die Abkühlung doppelt schön, als wir die nächsten beiden Strände erreichen, die auch badetauglich sind. Grober weißer Sand, Wurzeln und Treibholz, riesige runde Steine, die aus dem Wasser ragen oder am Strand „rumliegen“, Palmen und türkisblaues Wasser…es sind keine klassischen Bilderbuchstrände – sie wirken eher wild und rau – und genau das ist das Schöne am Tayrona Park: perfekt unperfekt.

Am nächsten Tag legen wir unseren letzten Strandtag ein, bevor es in höhere Ebenen der Sierra Nevada und danach ins Hochland geht. Auf Empfehlung – wir haben nach einem ruhigen und schönen Strand gefragt – sitzen wir also im Bus nach Rodadero, um von dort mit dem Boot weiterzufahren zum Playa Blanca, einer Bucht vor Santa Marta. Die Rechnung haben wir allerdings ohne den örtlichen Feiertag gemacht…zwischen überdimensionalen Flamingo- und Einhornschwimmreifen und unzählig vielen einheimischen Tagestouristen, die sich fröhlich einen hinter die Binde kippen ist es weder ruhig, noch besonders schön – immerhin gibt es so auch viel zu sehen und ist fast besser, als Kino! Die Abkühlung tut so oder so gut 😉

Die Sierra Nevada in Kolumbien ist das höchste Küstengebirge der Welt. Auf knapp 650 Meter über Meeresspiel liegt Minca, ein 600-Seelen-Dorf, das gerade mal 16 Kilometer entfernt von Santa Marta mitten in der Natur liegt und wie ein Zuschauer über der wuseligen Stadt thront. Der perfekte Ort, um der schwülen Karibikhitze etwas zu entfliehen – mit jedem Meter, den wir uns Minca nähern wird die Luft angenehmer. Auf dem Weg dorthin, treffen wir einen älteren Amerikaner im Bus, der nun schon seit einigen Jahren in Minca lebt und uns einen Geheimtipp nach dem nächsten verrät. Von der kurvigen Strecke, auf der die Fahrgäste wohl des Öfteren auch mal auf Speibsackerl zurückgreifen müssen, bekommen wir deshalb kaum etwas mit.

Kaffee- und Kakaoplantagen, Wasserfälle, wackelige Hängebrücken im Dschungel, die über eiskalte Gebirgsbäche führen und Aussteiger-Flair. Zwischen all dem gibt es immer mal wieder geniale Ausblicke über die umliegende Berglandschaft, das Meer, das nahtlos in den Horizont übergeht, und die Hochhäuser und Lichter von Santa Marta.

Als wir uns bei Sonnenschein auf den Weg zu einer Kakao-Plantage für eine Schokoladen-Führung machen, ahnen wir nicht, dass es keine fünf Minuten nachdem wir auf dem Sozius der Motorrad-Taxis Platz genommen haben und die Buckelpiste nach oben holpern, sintflutartig anfängt zu regnen. Mein Fahrer ruft mir viermal zu, ob ich eine Plastiktüte dabei habe, er müsse sein Handy retten. Als wir einen kurzen Stopp machen, um uns unterzustellen (eigentlich auch schon egal, denn wir sind sowieso schon tropfnass bis auf die Unterhose) oder wohl der eigentliche Grund: das Handy meines Fahrers halbwegs trocken zu verpacken, kommt Linda mit ihrer Fahrerin triefend an uns vorbei gefahren. Angekommen bei den Kakaofeldern, hört es zwar auf zu regnen, doch die letzten Meter gleichen einem Hindernislauf zwischen den schweren Ästen der Kakaopflanzen, die über die matschigen Wege hängen und großen Pfützen. Bis unsere Tour losgeht bleibt genug Zeit, um unsere triefenden Klamotten auszuwringen, einen heißen Kakao-Tee zu schlürfen, ein Stück frisches Bananenbrot zu essen und für eine kleine Spiel- und Kuscheleinheit mit dem Welpen, den ich hinterher am liebsten eingepackt hätte.

Zwischen frisch gepflückten Kakaofrüchten (die übrigens auch so ziemlich lecker schmecken, allerdings nicht wie erwartet nach Schokolade, der Geschmack und die Konsistenz erinnern eher an Litschi), einer ausführlichen Erklärung zum Prozess von Fermentierung über Trocknung und Röstung, fangen wir in unseren feuchten Klamotten und dem kühlen Wind, der durch die Küche der Kakaofarm zieht, langsam aber sicher an zu frösteln. Da kommt die frische, heiße Schokolade gerade richtig. „Fünf bis zehn Jahre jünger“ verspricht uns der Guide, als er mit Pinsel und einem Kakaobrei bewaffnet vor uns steht, und uns damit das Gesicht bepinselt. Tatsächlich behält er Recht…als ich am nächsten Tag in den Spiegel schaue, fühle ich mich mindestens um zehn Jahre jünger – direkt zurückversetzt in meine pickeligen Zeiten der Pubertät 😉

Der Amerikaner im Bus hat uns die Birdwatching Tour schmackhaft gemacht. Mit über 1.900 Vogelarten ist Kolumbien das Land mit der größten Vogelvielfalt der Welt – und JungleJoe aus Minca wohl eine Koryphäe auf seinem Gebiet. So klingelt am nächsten Morgen der Wecker also in aller Herrgottsfrühe. Ausgestattet mit Ferngläsern stapfen wir in der Morgendämmerung durch den Dschungel um Minca. Während JungleJoe vorneweg trabt und immer wieder seinen kleinen Bluetooth Lautsprecher an Äste hängt und über seine Vogel-App am Handy verschiedene Balzrufe abspielt, warten wir gespannt, dass sich irgendwelche bunten Paradiesvögel zeigen. Leider vergeblich – auch wenn unser Guide sich alle Mühe gibt und immer wieder „Whuuup“ Rufe ausstößt (fragt mich nicht, welchen Vogel er damit beeindrucken wollte), bleibt die Tour in Sachen „Birdwatching“ eher mau. Dennoch ist die Tour super – eine schöne Wanderung inklusive vieler wissenswerter Details über Flora und Fauna, lustiger Witze und mords viel Spaß, während wir alle im Gebüsch kauern und auf einen tanzenden Vogel warten. Als ich mich mit einem holländischen Pärchen unterhalte, verlieren wir beim Trödeln den Anschluss zum Rest der Gruppe und damit auch die richtige Abzweigung…nach ca. zehn Minuten, in denen wir „lost“ im Dschungel umherirren und versuchen, die Gruppe wieder einzuholen, hören wir das Pfeifen und Rufen unseres Guide aus komplett anderer Richtung – also: Umkehren und immer dem Gepfeife nach. Und dann das „Happy End“ der Birdwatching Tour: zwei Tukane hoch oben in der Baumkrone direkt vor uns…

Am nächsten Morgen ein letzter Karibikblick auf dem Rückweg nach Santa Marta, wo wir in den Flieger nach Pereira steigen…Hallo Hochland!

Dieser Beitrag hat 2 Kommentare

  1. Hola ihr zwei! Tolle Reportage: so fliessend, anschaulich und spannend wiedergegeben, dass ich mir Situation jeweils bildlich vorstellen kann! Ich bleibe dran an euren Stories!
    En liebä Grüess

    1. Hallo Kornelia, danke für deinen lieben Kommentar 🙂 Freut uns sehr! Liebe Grüße, Theresa & Manuel

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