Antigua Guatemala – Vulkane, Fußball und Hobbits

Antigua Guatemala – Vulkane, Fußball und Hobbits

Wir sitzen im Bus, der sich über die sich windende Bergstraße vom Atitlán-See Richtung Antigua Guatemala schlängelt. Die Landschaft ist einfach toll, am Straßenrand gibt es immer was zu sehen oder zu beobachten und wegen der (meist) schlechten Straßen kann der Bus nur so langsam fahren, dass man auch was sieht und nicht nur vorbeirauschendes Grün. Busfahren in Zentralamerika ist einfach wunderbar. Zumindest fast immer – grenzen wir es mal so ein: Es ist toll, wenn man einen halbwegs guten Platz erwischt und nicht den „Notsitz“, der zwischen den eigentlichen Sitzreihen noch in den Gang runtergeklappt werden kann und alles an Fahrtzeit <4 Stunden (danach tut meistens der Rücken oder der Po weh). Besonders schön, wenn auch noch die Gesellschaft passt, wie auf dieser Fahrt Richtung Süden – die dreieinhalb Stunden verfliegen einfach bei guten Gesprächen.

Antigua Guatemala. Die Stadt verzaubert auf den ersten Blick. Bunte Chickenbusse holpern über die Kopfsteinpflaster-Straßen, die gesäumt sind von bunten flachen Häuschen mit tollen Innenhöfen. Beeindruckende Kolonialbauten und Kirchen an den größeren Plätzen, am Rande der Stadt ragen die drei Vulkane Agua, Fuego und Acatenango auf, was das Stadtbild perfekt macht. Es ist Samstagnachmittag, als wir hier ankommen. Eine französische Band begrüßt uns beim OpenAir Konzert vor der Kulisse einer alten Ruine mit Ska-Musik und der Geruch, der aus den kleinen Straßenküchen am nächsten Platz dampft, macht uns direkt hungrig.

Am nächsten Tag sind wir mit anderen Reisenden zum Stadionbesuch der guatemaltekischen ersten Liga verabredet – Antigua GFC vs. Guastatoya. Wer mich kennt, weiß: Fußball ist nicht so wirklich meine Leidenschaft! Doch dieses Mal bin selbst ich Feuer und Flamme. Sarina und Robert warten schon vor dem Stadion auf uns – der Security hat ihnen vorher gesagt: Strenge Kontrollen, keine Getränke und kein Kleingeld, denn das kann schließlich als Wurfgeschoss verwendet werden. Auf dem Weg hierher haben wir uns zwei große Flaschen Wasser besorgt und nehmen nochmal einen großen Schluck, bevor wir sie abgeben müssen. In der Zwischenzeit gibt es wohl einen Schichtwechsel in den Reihen der Sicherheitsleute – plötzlich darf alles mit reingenommen werden und wirklich Abtasten und Kontrollieren ist nun auch nicht mehr…in dem Fall gut für uns, dass nicht alle mit dem gleichem Engagement arbeiten 😉 Zum Glück finden wir unter einem Pavillon noch einen Schattenplatz auf der Tribüne. Die Sonne brennt gerade so runter und wir sind schon im Schatten sitzend K.O. – wie muss es da nur den Spielern gehen?! Wir fragen uns, wer auf die bescheuerte Idee kommt, ein Fußballspiel in der absoluten Mittagshitze anzusetzen? Die Stimmung ist trotzdem super, Antigua gewinnt das Spiel 2:0 und wir werden direkt vom lokalen Fernsehsender aufgenommen, wie wir als Superfans dargestellt werden, lautstark „VAMOS ANTIGUA!“ rufen und dabei die Siegerfaust in die Luft strecken – yeah, endlich auch mal ins Fernsehen geschafft! Mein absolutes Highlight ist allerdings das Maskottchen von „unserem“ Verein: eine riesen Avocado auf zwei Beinen – schon dafür lohnt es sich doch Fan zu werden.

Nachmittags ist die ganze Stadt voll, alle Straßen verstopft durch eine Prozession, die sich über mehrere Stunden wie ein langer Wurm durch die Innenstadt zieht. Männer in lila Kutten und Frauen in dunklen Kostümen mit schwarzen oder weißen spitzenbesetzten Tüchern vor dem Gesicht laufen durch die Straßen. Dabei tragen sie große Jesus-Figuren auf den Schultern, die Straßen sind geschwängert mit Weihrauch, eine Kapelle begleitet den Zug mit krummer Blechmusik. Die Stimmung wirkt etwas gedrückt. (Für alle die das kennen, können sich so vielleicht etwas darunter vorstellen: Es kommt mir ein bisschen so vor, als wäre ich mitten in einer „Kerb-Beerdigung“ ohne Witze gelandet). Später erfahren wir, dass diese Art Prozession an jedem Wochenende in der Fastenzeit stattfinden, nicht selten wird fast 12 Stunden prozessiert. Wir sehen es auch in den nächsten Wochen länderübergreifend immer wieder.

Die Tage hier genießen wir in der Stadt, lassen uns treiben, verabreden uns ein paar Mal mit anderen Reisenden, die wir vorher schon öfter unterwegs getroffen haben. Viele haben eine ähnliche Route, man kennt sich mittlerweile, sieht sich immer mal wieder zufällig irgendwo auf der gleichen Strecke, es tut gut sich zwischendurch mit Gleichgesinnten auszutauschen, man freut sich über bekannte Gesichter. Unsere Zeit hier erinnert teilweise ein bisschen an Klassentreffen.

Fast einen ganzen Tag widmen wir uns unseren „Büroarbeiten“ und probieren uns nebenbei durch die Kaffee- und Saftkarte im gemütlichen Innenhof des Cafés nebenan. Büroarbeiten auf Reise – hört sich komisch an, wissen wir! Tatsächlich gibt es jedoch ziemlich viel zu erledigen…Auslandsentgelt von Barabhebungen bei der Bank zurückfordern, Arztrechnung bei der Krankenkasse einreichen, Fotos sichern, sich um die weitere Reiseplanung kümmern und so weiter. Nachdem uns irgendwann die Köpfe qualmen, beschließen wir kurzerhand nach Hobbitenango rauszufahren.

Hobbitenango. Am Stadtrand von Antigua, tief in den Berg eingegraben, liegt dieses kleine „Hobbitdorf“ und ist der perfekte Ort für unser inneres Kind. Hängematten mit super Aussicht, die zum „abhängen“ einladen, kleine Pfade zum Entdecken, Riesen-Yenga und Co. Man fühlt sich in eine andere Welt versetzt und würde sich nicht wundern, wenn Bilbo Beutlin plötzlich um die Ecke biegen und uns zu einer Runde Minigolf herausfordern würde 😀

Außerdem freuen wir uns mal wieder über das zentralamerikanische Marktreiben – es macht einfach Spaß, sich dort durch die engen Gassen schieben zu lassen und alle Eindrücke wie ein Schwamm aufzusaugen. Direkt neben dem Markt gelegen ist der wuselige Busbahnhof. Hier könnten wir Stunden sitzen und zuschauen, wie die Fahrer ihre großen und knallbunten Chickenbusse reparieren, Reifen wechseln, die Scheiben mit Hingabe putzen oder ihren Bus über den staubigen Platz rangieren während die Fahrgäste teilweise voll beladen noch kurz nach Abfahrt auf den schon fahrenden Bus aufspringen.

Nachdem wir ein paar Tage später von unserer Vulkantour auf den Acatenango zurück in die Stadt kommen, ist nur noch Ausruhen angesagt und wir können uns dafür gerade keinen besseren Ort als Antigua wünschen. Die Stadt verzaubert tatsächlich ein bisschen, man fühlt sich einfach wohl! Wir haben niemanden getroffen, dem das nicht ähnlich ging. Unser Muskelkater ist ganz schön hartnäckig, am ersten Tag können wir kaum Treppen steigen und verfluchen die hohen Bordsteinkanten, die uns jedes Mal vor eine kleine Hürde stellen 😀 Drei Tage später heißt es Abschied nehmen von Guatemala, das uns so sehr ans Herz gewachsen ist. Es geht weiter in das dritte Land unserer Reise – El Salvador.

Guatemala hatten wir vor unserer Reise nicht wirklich auf dem Schirm, sind hier gelandet durch Empfehlungen anderer Reisenden.

Dreieinhalb Wochen haben wir hier verbracht, sind langsam gereist und haben dadurch das Gefühl wirklich angekommen zu sein. Die Orte, an denen wir waren haben wir besser kennengelernt – wussten genau, wo was im Supermarktregal steht, welche Marktfrau die besten Bananen verkauft, wurden vom Parkeinweiser in unserer Straße jeden Morgen namentlich begrüßt…

Eine Reisende fragte uns schockiert warum wir in der Zeit nicht mehr „abgehakt“ hätten, schließlich hat sie in einer Woche quasi alles gesehen, was man in dem Land gesehen haben muss. Sicher kann man in drei Wochen mehr sehen, doch es tat gut nicht zu Hetzen, kein permanent vollgestopftes Programm zu haben, zwischendurch Pausen zu machen, Eindrücke sacken zu lassen und zu verarbeiten und nicht eine Attraktion nach der anderen von irgendeiner Liste abzuhaken.

Wir haben die Guatemalteken als ein fröhliches, buntes Volk kennen gelernt, dass sich über seine Besucher aus aller Welt freut und sie herzlich Willkommen heißt. Wir durften hier tolle Menschen kennenlernen, saßen in Bussen auf unbequemen Sitzen, die teilweise über eineinhalb Stunden mit max. 10 km/h einen mit Schlaglöchern übersähten Berg hochgeschlichen sind. Wir haben ein Fußballspiel in einem zentralamerikanischen Stadion erlebt, die bisher leckersten Schokoeisbananen gegessen (DANKE Eva für diesen Tipp ;)). Wir haben uns mehrmals mitten in der Nacht aus dem Bett gekämpft um einen tollen Sternenhimmel und wunderbare Sonnenaufgänge zu sehen. Wir haben einen Vulkan bestiegen, sind an unsere Grenzen gekommen und haben einen anderen Vulkan in unmittelbarer Nähe ausbrechen sehen (das können wir selbst immer noch nicht so ganz glauben).

Was sollen wir sagen – Guatemala hat uns richtig gepackt, trotz dass wir vielleicht nicht alles gesehen haben, was es zu sehen gibt. Es ist ein Grund für uns irgendwann wieder zu kommen! 😄

Dieser Beitrag hat 2 Kommentare

  1. Hallo ihr zwei,

    das ist eine sehr schöne Zusammenfassung zu Antigua. 😉
    Den Namen Hobbitenango habt ihr euch aber ausgedacht, oder? 😉 Ich habe herzlich gelacht.

    Guatemala ist wirklich ein vielseitiges, wunderschönes Land. Auch wir sind begeistert und reisen ähnlich langsam; eine Woche am Atitlán See, eine andere Woche in Antigua und so weiter.
    Schade, dass ihr es nicht mehr in den Norden geschafft habt. Aber wenn ihr noch einmal herkommt, dann wird es dafür Zeit. 😉

    Ganz liebe Grüße, Janine

    1. Hallo Janine,
      ich dachte auch erst, der Name ist ein Witz. Heißt aber tatsächlich so und könnte für Guatemala passender nicht sein, oder? 😀
      Guatemala ist unser wirklich irgendwie ans Herz gewachsen – schon nach so kurzer Zeit…Wir kommen sicher irgendwann wieder – dann definitiv auch in den Norden – euer Trek nach El Mirador hört sich nämlich genial an und macht Lust auf mehr 😉
      Ganz liebe Grüße nach Belize,
      Theresa

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